Neues Jahr, neuer Oleg!Na, wer hat noch daran geglaubt...?
Zur Erinnerung: Es ist Sommer 2016. Zur Vorbereitung auf die erste Europa-League-Teilnahme der Vereinsgeschichte hat Oleg eine Freundschaftsspiel-Tourneeorganisiert. Durch die ganze weite Welt. Nunja, oder durch das, was aus Perspektive eines im Ostblock Aufgewachsenen als weite Welt zählt: es geht zu Torpedo Kutaisi und dem FC Zestafoni (beide in Georgien), Alanija Wladikawkas (Russland), Metalurgi Rustavi (wieder Georgien), Sheriff Tiraspol (Moldawien), Lokomotive Moskau (da sage ich sicher niemandem etwas neues: Russland). Olympia spielt durchgängig überraschend stark: 2:0, 3:2, 0:0, 1:1, 0:0, 2:0.
Nach zwei weiteren Tests gegen unterklassige einheimische Teams, die Brüderchen Boleg eigenmächtig organisiert hat, beginnt die nationale Saison mit drei Hammerspielen:
Superkubok gegen Meister Schachtar. 0:3, erwartungsgemäß.
1. Ligaspieltag: auswärts bei Dynamo Kiew. 2:0 für die Gastgeber.
2. Ligaspieltag: zuhause nochmal gegen Schachtar. 0:2.
Zugegebenermaßen hat sich Oleg aber für diese drei Spiele kaum interessiert. Die Chance, nach dem Kubok auch noch den Superkubok zu gewinnen, war natürlich einmalig, aber gegen den übermächtigen Lokalrivalen konnte man eben nichts erwarten, genauso wie zum Ligauftakt. Stattdessen kam außerdem etwas viel spannenderes im Fernsehen...
Also saß Oleg nicht nur wie eh immer am Fernseher, sondern er schaute dort nichtmal die Spiele der eigenen Mannschaft - sondern die parallel stattfindende Europameisterschaft in Frankreich. Absoluter Höhepunkt dort: Halbfinale Frankreich-Deutschland, 2:4, Viererpack von Lukas Podolski (31, 149LS/68T, immer noch in Kölle).
Zum Titel reicht es für die Deutschen, die vorher Wales und Spanien rauswarfen, aber nicht, im Finale setzt es ein 1:2 gegen Holland. Jogi Löw tritt danach zurück.
Olegs Fokus auf Deutschland erklärte sich dabei daraus, dass die Ukraine schon in der Vorrunde rausflog, Gruppenletzter hinter den beiden späteren Finalisten (ok, darf passieren) und Polen (schon eher eine nationale Schande).
Wie Löw machte es dann auch Oleg Blokhin. Sofort klingelte Olegs Telephon und seine Mama fragte, ob er jetzt der neue Nationaltrainer würde. Oleg musste ihre Hoffnung leider sofort ersticken, eine Doppelbelastung wäre definitiv zu viel für ihn. Die Extra-Reisen für die Europa League reichen ja wohl.
Als Oleg sich dann wieder in Donezk blicken lässt und mit Boleg ernste Worte redet, dass jetzt die Saison ernsthaft losgehen und die Spieler sich reinhängen sollen, kann der Bruder ihm immerhin eine kleine Nettigkeit erzählen - er hat das gescheiterte Talent Beslan Golubev (OMZ/MZ, 22, 24 Spiele seit 2011) für 10k€ an Drittligist FK Lwiw vertickt. Zur Erinnerung: Olympia steckt mit über 1 Mio€ in den Miesen und hat dank 1000-Platz-Winzstadion kaum Einnahmen, da zählt jeder Schein.
Dann geht es um Taktik, das bringt aber auch nichts - 0:3 im nächsten Stadtderby gegen Vizemeister Metalurh. Mit 0 Punkten und 0 Toren steht Olympia ganz, ganz unten in der Tabelle.
Erst als am 03.08. mit Metalurh Saporischschja endlich ein Nicht-Spitzenteam zu Gast ist, gelingt ein Sieg: 2:1 durch Smirnov und Petrenko, letzterer macht erst in der 95. den Dreier perfekt.
Am 05.08. sitzt Oleg dann mal ungewohnterweise vormittags vorm Fernseher, es läuft die Auslosung zur 4. EL-Quali-Runde. Als Gewinner des durchaus nicht prestigelosen ukrainischen Pokals ist Olympia tatsächlich erst für diese späte Runde gesetzt, nur einen Gegner müsste man rauswerfen und es hieße bereits Gruppenphase. Als dieser Gegner stellt sich der
FC Brügge heraus - in den letzten Jahren viermal 4. und einmal 3. in Belgien, und mit einem ziemlich unbekannten, um nicht zu sagen grauem, Kader ausgestattet. Fürs Hinspiel wird es auch immerhin schonmal 22k€ Fernsehgelder geben. Am meisten freut Oleg sich aber auf die guten Pralinen und das starke Bier. Das alte ukrainische Sprichwort "Brügge sehen und sterben" verbannt Oleg dagegen sofort aus seinem Sprachgebrauch, natürlich will man dort nicht sang- und klanglos ausscheiden, obwohl man wohl Außenseiter ist.
Nach zwei weiteren Ligaspielen (0:1 und 3:2 gegen Mittelfeldteams) und Platz 9 nach 6 Spieltagen steht dann die große Reise an. Oder zumindest für Boleg, den restlichen Trainerstab und die Spieler, die erst am Vorabend der Partie am 18.08. abfliegen. Oleg dagegen hat seine Dienstreise etwas ausgedehnt und hat schon ein paar Tage Urlaub in Amsterdam und Brüssel gemacht. Brügge selbst enttäuscht ihn dann auf den ersten Blick etwas, nirgends mordernde Gangster zu sehen. Entschädigt wird er aber dann, als er sich das Spiel im Hotelzimmer ansieht - nicht nur wird hier die Brutalität nachgeholt, es gibt 3 Verletzte (2 Belgier und im eigenen Team leider Schlüsselspieler Oleg Koshka, der damit mal wieder für 3 Monate fehlen wird) und Olympia nimmt nach einer torlosen Begegnung sogar eine ordentliche Ausgangsposition mit nach Hause. (Und ein halbes Flugzeug voller Schokolade, die andere Hälfte voller voller Ukrainer.)
Beim folgenden 1:1 in Uschhorod zeigt sich Boleg mal von seiner emotionalen Seite und regt sich so über einen nicht gegebenen Elfer auf, dass der Verband ihn verwarnt. Was zu einer spannenden Frage führt: wer wird auf der Bank sitzen, wenn das nochmal passiert - Oleg im Urlaub und Boleg gesperrt...?
Fürs EL-Rückspiel diskutieren Oleg und Boleg bei etlichen Flaschen Wodka bis tief in die Nacht, ob man wieder auf Mauertaktik setzen und auf Elfmeter hoffen soll, oder die Sache offensiver angehen. Am Ende entscheiden die Brüder sich für die mutige 4-1-2-1-2-Variante und werden mit dem besten Saisonspiel belohnt, ein triumphales 3:0 bringt das überzeugende Weiterkommen, und damit satte 1,26 Mio€ in die marode Vereinskasse.
Nein, halt, sogar 1,267 Mio€. Denn neben den Preisgeldern kann auch gleich der Rekord an Zuschauereinnahmen im Mini-Stadion Olimpic-Park gebrochen werden, von 3k€ springt er auf sage und schreibe 7k€...
Am nächsten Morgen wacht Oleg mit üblem Kater auf, zur Rache scheinen die Belgier das mitgebrachte Kirschbier mit Frittensauce gestreckt zu haben. Aber egal, er krallt sich eine große Europakarte und lauert bei der großen Gruppenphasen-Auslosungsgala auf die nächsten drei Reiseziele. Im besten Fall geht es ins sonnige Malaga, auf einen lange überfälligen Kultururlaub nach Rom und nach Hamburg auf die Reeperbahn. Schlechtestenfalls winken nur graue postsowjetische Industriestädte wie Bratislava, Kasan oder Wolfsburg.
Zumindest das mit der Sonne klappt, wenn auch nicht spanische, so doch portugiesische: Sporting Braga. Newcastle dagegen ist weniger nach Olegs Geschmack - Regen, Kohle, schlechtes Bier. Und Stuttgart? Auch nicht sooo attraktiv, aber Oleg wollte sich schon lange mal einen Mercedes kaufen, passt also schon.