Helmut Rahn, der "Boss"Helmut Rahn ist wohl der einzige Spieler, dessen Karriere scheinbar auf ein einziges Tor reduziert wird. Doch Helmut Rahn hatte mehr zu bieten. Viel mehr. Und damit meine ich nicht die Skandale um Gefängnisaufenthalte, Trunkenheit am Steuer usw. Die gehörten sicher dazu, doch Helmut Rahn hat immerhin 15 Jahre lang hochklassigen Fußball gespielt.
Skizzieren wir kurz seine Karrierestationen: Mit 22 Jahren begann Helmut Rahn bei Rot-Weiß Essen das erste mal in einem hochklassigen Verein zu spielen, nachdem er zuvor in Katernberg und Oelde auflief. Rahn lief dabei mehrere Positionswechsel durch: Als halbrechter konnte er nie überzeugen, weshalb er Mittelstürmer wurde. Dort glänzte er in Oelde und schoss in einer Saison 52 Tore. Rein zufällig kam er dann zu seiner Stammposition als Rechtsaußen, nachdem der etatmäßige Außenspieler kurzfristig ausfiel. Seitdem hat Rahn diese Position nie wieder verlassen.
Rahn spielte also von 1951- 1959 bei Rot-Weiß Essen, 1951 debütierte er auch sofort in der Nationalmannschaft. Anschließend spielte er ein Jahr in Köln, ehe er 1960-1963 im Ausland spielte, für Enschede in Holland. Schließlich kehrte er zum Start der Bundesliga 1963 nach Deutschland zurück und spielte für den Meidericher SV (Duisburg). Er war der erste Bundesligaspieler, der vom Platz flog
1965 beendete ein Achilessehnenriss seine aktive Karriere.
Auf Vereinsebene war Rahn sehr erfolgreich.
1953 gewann Essen den DFB Pokal, 1955 besiegte man Kaiserslautern (wenn auch umstritten) im Endspiel der deutschen Meisterschaft. Doch eine Südamerikareise 1953 machte Rahn das erste mal international bekannt. Rot Weiß Essen spielte gegen die Traditionsvereine Südamerikas (Boca Juniors in Argentinien, Penarol in Uruguay, Bolivar in Bolivien und einige mehr) und man schlug sich dort wirklich hervorragend. Den Essener Spielern wurden hochkarätige Angebote gemacht, die Mannschaft wär sozusagen von dieser Reise stark dezimiert zurückgekehrt. Letztlich ging aber kein Spieler auf die Angebote ein.
In der Nationalmannschaft lief es für Helmut Rahn bis zur WM 54 nicht nach Maß. Ihm wurde vorgeworfen, nicht mannschaftsdienlich genug zu spielen und so war zu Beginn der WM der Schalker Berni Klodt als Rechtsaußen gesetzt. Helmut Rahn reagierte darauf auf seine Art: er schlich sich mit einigen frustrierten Mannschaftskollegen hinaus und macht die Kneipen in Spiez unsicher.
Herberger wusste davon- und setzte Rahn im zweiten Gruppenspiel gegen Ungarn (3:
ein, Rahn traf. Ab dem Viertelfinale gegen Jugoslawien war Rahn dann wieder als Rechtsaußen gesetzt. Er traf auf seine unnachahmliche Art und Weise zum entscheindenden 2:0.
Gegen Österreich (6:1) traf Rahn zwar nicht, war aber von den Österreichern nur per Fouls zu stoppen, was Deutschland einen Elfmeter einbrachte und auch sonst war er wie die gesamte deutsche Mannschaft in Höchstform. Im Endspiel war er dann Matchwinner, als er das Tor von Morlock ( wenn auch ungewollt) vorbereitete und die beiden anderen selbst schoss.
Anders als viele andere Nationalspieler konnte Rahn mit dem WM Titel trotzdem gut umgehen. Spielerisch hatte er noch nicht annährend seinen Höhepunkt erreicht.
Auch die deutsche Meisterschaft 1955 sollte nicht das beste Jahr für ihn werden. Nach seinem ersten Gefängnisaufenthalt 1957 rechnete niemand mehr, dass Rahn jemals wieder an sein Leistungsniveau erreichen konnte. Doch er hatte im Fußball 2 Personen , die ihm in solchen Situationen aufbauen konnten. Fritz Walter und Sepp Herberger. Mit Fritz Walter verband Rahn eine lebenslange Freundschaft. Als Zimmernachbar sollte Rahn den ab und zu grübelnden, pessimistischen Fritz Walter wieder aufbauen, amüsieren, zum Lachen bringen. Rahn galt als Stimmungskanone der Mannschaft und als Optimist. Sein Spitzname "Boss" rührt daher, dass er auch bei hohem Rückstand die Mannschaft pushte, weiterzumachen.
Auch wenn das Verhältnis zu Sepp Herberger stets wechselhaft war und es 1961 zum Bruch zwischen ihnen kam ( kurz vor Herbergers Tod kam es zur Versöhnung), wusste Herberger, was er an Rahn hatte. Er berief Rahn weiterhin für die Nationalmannschaft und 1958 sollte Rahn dann den Höhepunkt seines Schaffens erreichen.Bei der WM 1958 in Schweden war Rahn bester deutscher Spieler. Er erzielte 6 Tore und brachte Deutschland fast im Alleingang ( im wahrsten Sinne des Wortes) bis ins Halbfinale.
So, und was Fußballdeutschland wohl vergessen hat: Rahn war neben Fritz Walter wohl der einzige Spieler der WM- Mannschaft von 54 dem das Prädikat "weltklasse " gegeben werden kann, denn: 1958 wurde er hinter Raymond Kopa aus Frankreich zweiter bei der Wahl zu "Europas Fußballer des Jahres" . Daraus wurde viel später der "Balon D'Or". Rahn war also zweitbester Spieler Europas, und, wenn man Pele, Garrincha und di Stefano weglässt , der zweitbeste Fussballer der Welt.
Der Franzose Just Fontaine, mit 13 Toren Torschützenkönig bei der WM 1958 wurde mit Rahn verglichen: Die Medien fragten sich, wer wohl der bessere Stürmer sei. Dies wurde in einem Länderspiel 1959 zwischen Deutschland und Frankreich klar beantwortet: Fontaine zeigte, dass er Raymond Kopa brauchte, um knipsen zu können. Kopa war aber leider in diesem Spiel nicht anwesend und so bot Fontaine ein recht jämmerliches Bild, während Rahn Spieler des Tages wurde. Es war also entschieden: Rahn war der beste Goalgetter der Welt. Und das nicht als Mittelstürmer, sondern als Rechtsaußen.
Rahn hätte wohl auch an der WM 1962 teilgenommen, doch kam es 1961 zum Bruch mit Herberger. Rahn hat den Bogen überspannt: Obwohl in Holland aktiv , nominierte ihn Herberger trotzdem für die Nationalmannschaft, für Spieler im Ausland eigentlich ein absolutes No-Go zu dieser Zeit. Rahn war sogar einige Spiele Kapitän. Doch der Alkohol schlug wieder zu und diesmal war Herberger das zu viel. Rahn machte gegen Portugal 1961 sein letztes Länderspiel und traf - selbstverständlich. In 40 Länderspielen schoss er 21 Tore
Rahns SpielweiseRahm war wie gesagt ein Lebemann, Optimist und Spaßvogel. Deshalb war er auch ein eher egoistischer Spieler. Ein Robben sozusagen. Nun, so egoistisch war er dann doch nicht, zumindest konnte er dies im späteren Verlauf der Karriere ein klein wenig abgewöhnen.
Was machte ihn aber zum besten Rechtsaußen seit Stanley Matthews?
Dazu geb ich mal mein ganz eigenes Urteil ab:
1. Rahns Schusstechnik: Rahn ist der beste Distanzschütze aller Zeiten. Wenn er traf, war das meist außerhalb des Strafraums. Wenn er traf, was das meist ein Traumtor. Ist so. Rahns 10 WM-Tore sind bis auf 2 sehr sehenswert. Das 2:0 gegen Jugoslawien 1954 sowie ein Tor gegen Argentinien 1958 waren Distanzschüsse in den Winkel, schlichtweg unhaltbar. Es stimmt, Rahn schoss im Spiel 15 Mal aufs Tor und 13 Mal ging der Ball halt daneben. Aber Rahn versuchte es. Das imponierte Herberger sehr.
2. Rahns Statur. Rahn war vielleicht ein klein wenig...... kräftig gebaut, aber Rahn war dadurch ein extrem wuchtiger Spieler. Seine Statur ist sehr gut mit Ted Drake zu vergleichen, Englands Top-Mittelstürmer in den 20ern und 30er Jahren.
3. Rahns Schnelligkeit: Trotz seiner paar Kilos Übergewicht war Rahn zusammen mit Horst Eckel der schnellste Spieler der deutschen Mannschaft. Zudem war Rahn auch technisch beschlagen, machte also als Flügelflitzer immer eine gute Figur.
4. Rahns Ego: Es gibt einen Spruch, ich glaube von Ray Emerson stammte der: "Denke an das, was andere nicht zu denken wagen". Das dachte sich wohl auch Helmut Rahn. Er war so selbstbewusst, dass er eben Dinge tat, die andere deutsche Spieler nicht taten-. Dazu gehören die 15 Torschüsse pro Spiel, das Abziehen 35 Meter vorm Tor ( die dann auch ein paar mal drin waren, siehe Argentinien 1958) und das Ausspielen von 4 Gegenspielern. Von einem deutschen Spieler war man sowas schlichtweg nicht gewohnt, Rahn war also ein außergewöhnlicher bzw. ungewöhnlicher Spieler, der seinen Gegner stets überraschen konnte.
Zu seinen spielerischen Schwächen gehörten sein Kopfballspiel ( bzw. so etwas besaß er nicht), seine wie gesagt eher egoistische Spielweise und das Weigern, nach hinten zu arbeiten. Man wird in keinem Spiel einen defensiv-zweikampf von Rahn sehen, auch in der eigenen Spielhälfte war Rahn eher selten. Kennern dämmert da etwas: Genau, Rahn entsprach damit genau dem Bild des typischen Flügelstürmers der 20er Jahre in England. Sogar Stanley Matthews war da "moderner". Deshalb wird Rahn auch manchmal als letzter traditioneller Flügelstürmer der Fußballgeschichte beschrieben.
Wer demnächst folgt: Ich will keine Umfragen mehr machen, schreibt einfach mal ein paar Namen , die euch so einfallen und ich picke mir dann welche heraus