15.7.2000 06:21
Ich sitze vor meinem Schreibtisch an der Säbener Straße und arbeite mittlerweile schon 30 Stunden durch. Uli ist scheinbar doch recht angetan von meiner Arbeit. Der Rumäne, hat sich mittlerweile nach Dortmund abgesetzt und darf nun Michael Meier, als Stammkundschaft begrüßen.
Ich habe mir vorgenommen, das Beste aus der Situation zu machen. Diese Chance kann ich mir nicht entgehen lassen.
Das Leben ist schön.
15.7.2000 10:08
Ich wache in der Umkleidekabine von Dinamo Bukarest auf.
Ein wohlbekannter Anblick. Aufgrund seiner vietnamesischen Lebensgefährtin, ist der Rumäne recht günstig an alle Trikots seines Heimatvereins gekommen. Und hatte diese, wie Perserteppiche, an die Wand gehangen.
Ich verlasse diese Hölle auf Erden und nehme mir vor, schön den Tag im Bett zu verbringen.
Kaum trete ich über meine Türschwelle, klingelt auch schon wieder dieses verdammte Telefon.
"Was ist?!" - "Haben Sie schon mal auf die Uhr geschaut?"
Die Brünette!
Mein Puls schnallt in die Höhe. Alle meine Haare stehen zu Berge. Einfach alles steht.
"Aber sicher. Ich wollte gerade zum Brunchen. Kaviar, Champagner ... Nichts besonderes"
Wenn das mal keinen Eindruck hinterlässt.
Gedanklich plane ich gerade unsere Hochzeit. Karibik, Strand, drei brünette Mädchen. Hmmmm. Als allerdings die Worte "Arbeit" und "sofort", mein Denkzentrum erreichen, schrecke ich auf.
"Jetzt? Arbeiten? Ist doch gar kein Heimspiel heute!" - "Sehen Sie zu, dass Sie hier auftauchen!"
Merkwürdig. Für einen kurzen Moment, meine ich Uli's Stimme gehört zu haben.
15.7.2000 12:11
Ich biege mit meinem firmeneigenen Audi in die Säbener Straße ein.
Ich parke direkt vor dem Eingang, der "heiligen Hallen" des Vereins. Komischerweise, steht dort schon ein Ferrari. Erbost von diesem unzivilisierten Verhalten, zerkratze ich "ausversehen" die Fahrerseite dieses italienischen Lada.
"M-OK-69" steht auf dem Nummernschild. Ist ja toll, wenn er das "okay" findet, freue ich mich.
Ich will gerade die Tür öffnen, da macht dies ein Schwarzer für mich, lächelt mich an und streckt mir die Hand entgegen. Geschmeichelt von diesem Service, gebe ich ihn meine Autoschlüssel.
"Sammy, Sammy!", sagt er.
"Tut mir leid, aber ich bekomme meine Scheine auch erst am Monatsende. Und sei ja vorsichtig mit der Kiste!", drohe ich ihm.
Unverschämtheit!
Direkt am Eingang, stehe ich in einer Art Empfangsbüro. Alles in Rot und Weiß gehalten, ab und zu auch etwas Blau dazwischen.
Da fühle ich mich bei dem Rumänen durchaus wohler.
Ich gehe auf die Empfangsdame zu, welche wohl das Alter einer ausgewachsenen Galapagos-Schildkröte erreicht hat. Etwas angewidert, frage ich sie nach Uli's Bürö.
Sie öffnet ihren Mund, doch was sie sagt verstehe ich nicht.
Das ist die Stimme der Brünetten!
Meine Augen und Ohren führen einen Ringkampf auf, um die Vorherrschaft meiner Gedanken. Perplex nehme ich die Mappe in die Hand, welche sie mir überreicht. Dann zeigt sie auf eine Tür.
Wie Bruce Willis in seiner besten Actionszene, hechte ich mich gegen die Tür, rolle mich in den Raum und verbarrikadiere sofort die Tür hinter mir.
Auf dem Schock erstmal einen kräftigen Hieb aus dem Flachmann.
Ich schaue mir die Mappe an. "FC Bayern München e.V. 2000/2001 Trainermappe"
Ich freue mich über das ganze Material, für meine Tip's. Gleich auf der ersten Seite grinsen mich dreißig, mehr oder weniger junge Männer an. Na herrlich!
Ich blättere weiter und finde auf den nächsten Seiten die Spielernamen. Allerdings ist unter jedem Namen, Platz für Notizen freigelassen.
Es klopft an der Tür, "Herr Conway?". Wieder die Stimme der Schildkröte. Nur diesmal sehe ich sie nicht, was doch ein wärmendes Gefühl in mir auslöst.
"Ja?" - "Können sie bitte die Tür öffnen" - "Nein?"
Es entsteht eine Kunstpause, auf die jeder Theaterregisseur stolz wäre.
"Ich möchte Sie bitten, die Mappe auszufüllen. Sie haben ja bereits einige Eindrücke, während ihrer Interimstätigkeit gewinnen können. Den Stift schiebe ich unter der Tür durch. Herr Hoeneß, trifft Sie dann in einer halben Stunde."
Durch ihre Stimme, vergesse ich ihr Aussehen und antworte "Ich habe da auch noch was zum durchschieben!", doch sie scheint es nicht zu hören.
Was für eine Tätigkeit? Intim? Vielleicht steht sie ja doch auf mich! Angewidert von mir selbst, erinnere ich mich daran, dass Uli so etwas im Krankenhaus sagte.
Das Problem ist nur, ich kann mich an keinerlei Trainertätigkeiten erinnern!