Das erinnert mich sehr als das Standardargument meiner US-Freunde in Bezug auf Waffengesetze: nicht die Waffen sind das Problem, sondern die Menschen, die diese benutzen.
Mir geht es um Reglementierung. Ich bin strikt gegen den von Dir verwendeten Satz, dass jedes Rauschmittel für den Eigenverbrauch freizugeben sei.
Die Frage, ob man das so gleichsetzen kann, habe ich mir auch lange Zeit gestellt und bin zu dem Schluss gekommen, dass das zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte sind. Waffen haben den primären Zweck, mit scharfer Munition auf jemanden/etwas zu schießen. Drogen hingegen (wenn man diesen Begriff verwenden möchte, ich bin da lieber bei "Substanzen") wendet man auf sich selbst an. Nichts desto trotz bin ich natürlich vollkommen deiner Meinung, dass eine Freigabe nur mit einer vernünftigen Reglementierung, Aufklärung und Prävention einhergehen darf.
Die fehlt momentan bei illegalen Substanzen komplett, da steht nur drauf: "Ist verboten, lass das sein." Und viel zu viele Menschen, die sich von Berufswegen eigentlich damit auskennen sollten (Lehrer, Polizisten, Psychotherapeuten), kennen nur diese eine Botschaft. Dass diese Substanzen durch den Schwarzmarkt aber fröhlich weiter konsumiert werden, wird dadurch nicht verhindert. Im Gegenteil, laut einer Studie von Eastwood et al, die ca. 30 Länder miteinander verglichen hat, hat eine repressive Drogenpolitik wenig bis keinen Einfluss auf das Konsumverhalten der Bevölkerung. Das Wörtchen "wenig" deshalb, weil tendenziell sogar gerade dort, wo repressivere Gesetze herrschen, häufiger konsumiert wird. Letzteres ist aber nicht die Kernaussage der Studie. Zum Nachlesen:
https://www.tni.org/files/publication-downloads/a_quiet_revolution_march_31_2016.pdf @Henning: Aus dem, was hier sonst so im Forum geschrieben wird, weiß ich dass du Pharmazeut/Apotheker bist und du mit Sicherheit mehr Ahnung von den unterschiedlichen Wirkungsweisen diverser Substanzen, ob legal oder illegal hast, als z. B. ich. Der Punkt ist: es geht nicht allein um medizinische Faktoren. Ich kenne die Positionspapiere der suchtmedizinischen Fachgesellschaften und der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychotsomatik und Nervenheilkunde zur Cannabislegalisierung. Und da geht es auch lediglich um medizinische Faktoren. Dabei wird aber vergessen, dass eine kontrollierte Abgabe von reinen Substanzen sehr viel unbedenklicher ist, als irgendeine zusammengepanschte Scheiße vom Dealer im Park zu konsumieren. Insbesondere, wenn sie mit Beipackzettel und vernünftiger Beratung daherkommt. Die momentane Verbotspolitik hat unter anderem dazu geführt, dass Cannabis, welches ursprünglich einen THC-Anteil unter 15% Prozent hatte, mittlerweile so genmanipuliert wurde, dass der THC-Anteil an die 30% heranreicht. Und natürlich ist das erstmal per se gefährlicherer Stoff, als das, was man vor 50 Jahren geraucht hat. Eine Kriminalisierung wird diese Entwicklung aber nicht stoppen, nein, sie war der Grund dafür.
Ähnlich sieht es mit Ersatzstoffen aus. All der Müll wie Spice oder andere Stoffe, die von krimineller Seite auf den Markt losgelassen wurden, weil sie erstmal nicht explizit verboten waren, die gibt es quasi nur, weil der "gute Stoff", also das was halbwegs erforscht und größtenteils seit Jahrhunderten bekannt ist, in die Illegalität verbannt wurde.
Genauso Drogenkartelle: heutzutage sind das eigentlich keine Drogenkartelle mehr, sondern Kartelle der allgemeinen organisierten Kriminalität. Warum? Weil durch die Illegalität des Drogenhandels derart hohe Gewinne erzielbar waren, dass diese Organisationen genug Kapital erwirtschaften konnten, um fortan mehrere Standbeine (Waffenhandel, Menschenhandel, und und und) zu etablieren. Eine Legalisierung würde das bestehende Kapital zwar nicht mehr antasten, dieses Problem hat man sich geschaffen und es bleibt bestehen, aber zumindest eine beträchtliche Einnahmequelle könnte man auf diese Weise versiegen lassen.
Das alles ändert nichts an dem Umstand, dass Substanzen bei missbräuchlicher Einnahme verheerende Nebenwirkungen haben können, da sind wir uns denke ich einig. Es geht eher um den Umstand, dass eine legale, staatlich kontrollierte Abgabe (inklusive striktem Werbeverbot!) einer unkontrollierten, durch den Schwarzmarkt diktierten (und in jedem Fall stattfindenden) Abgabe auf jeden Fall vorzuziehen ist. Und es gibt zumindest ein paar Länder (Kanada, Portugal) die vormachen, wie es funktionieren kann.
Bei Alkohol und Tabak ist es nachträglich schwer, den Geist wieder in die Flasche zu bekommen, aber bei allem, was derzeit illegal ist und als Genussmittel in Frage käme, sind wir momentan in einer starken Position, mit vernünftigen Gesetzen die Situation von Konsumierenden zu verbessern und die der organisierten Kriminalität zu verschlechtern. Den Schritt muss man dann aber auch konsequent gehen.
(Das bezieht sich im Wesentlichen auf die Situation in Deutschland, hier habe ich auch dazu geforscht. Von US-Gesundheitspolitik habe ich nicht viel Ahnung.)