????? ???? ?? ??? ?????? // Entwicklungshilfe für Indien
26. September 2011
Als heute Morgen mein Wecker klingelte, war ich völlig durchgeschwitzt. Ich hatte davon geträumt, dass Air India FC nicht nur den East Bengal Club vom Platz fegt, sondern auch im Finale gewinnt. Und sich so für den AFC Cup qualifiziert. Ich weiß nicht, was mir mehr Angst machte: die Gefahr, an diesen geheimen Wünschen zu scheitern, oder die Aussicht auf die immensen Reisekosten, die mit dem Asien-Pokal einhergingen. Letzteres verdrängte ich dann doch - erstens hatten wir dafür unseren gönnerhaften Präsidenten Singh, und zweitens war es sowieso Utopie. Ich konnte nur hoffen, dass alle Spieler den Weg zum Spielfeld gefunden haben. Gestern gab es einen Streik der öffentlichen Dienste - man mag es kaum glauben, aber die deutschen Gepflogenheiten scheinen einen überall hin zu verfolgen. Hoffentlich wird das nicht zum Dauerzustand, denn Indien riecht, gelinde gesagt, schon so streng genug, da muss nicht auch noch die "Müllabfuhr" (man kann sie kaum so nennen) den Dienst aussetzen. Oder die Zugführer. Jedenfalls hatten wir gestern beim Training nur 8 Spieler auf dem Platz, so dass ich beim abschließenden Trainingsspiel mit der Jugend auffüllen musste. Nach 10 Minuten brach ich das Ganze ab. Offiziell der Mannschaft gegenüber, um Kräfte zu sparen. Inoffiziell...naja, ihr wisst schon.
Im Halbfinale in Kalkuttas Salzseestadion dachte ich dann, dass ich immer noch träumte. Man stelle sich vor, das letzte Spiel vor 31 Zuschauern absolviert zu haben, inklusive entsprechender Geräuschkulisse. Richtig: hupende Tuktuks, knatternde Mofas, schreiende Händler auf dem anliegenden Markt. Keine Schlachtenrufe, keine Fangesänge, für Choreografie gibt es im indischen sicher auch kein Wort. Und dann wandelt man diese Vorstellung ein ganz klein wenig um, verzweitausendvierhundertachtundfünzigfacht die Zuschauerzahl und blendet den Umgebungslärm aus. So kam ich mir vor. Wie in der Höhle des Löwen. Unsere Fans konnten es nicht sein, selbst wenn die gesamten Clans meiner Spieler aufgetaucht wären, wären es keine 1.000 Zuschauer geworden. Aber 76.000? Das kannte ich aus Deutschland, da war das Standard, aber im Land des Cricket? Mir schauderte. Wie sollten meine psychisch extrem labilen Hanseln denn da irgendwas reißen, wenn bei jedem Ballkontakt ein gellendes Pfeifkonzert...?
Kam anders. Wir wurden nicht ausgepfiffen, die Zuschauer waren recht fair. Das lag vielleicht auch daran, dass Avneet Shergill den East Bengal Club früh in Front brachte. Vielleicht lag es im weiteren Verlauf aber auch daran, dass die Zuschauer erkannten, dass wir auch Fußball spielen konnten, und zwar durchaus ansehnlich und besser als im Training am Vortag. Takayuki Omi gelang Mitte der 1. Halbzeit der Ausgleich. East Bengal Club war geschockt, und das nutzte Henry Ezeh zur völlig unerwarteten und überraschenden Führung! Wahnsinn! Wir schnupperten an einer kleinen Sensation! Ich mahnte meine Mannen, sich weiter zurückzuziehen, wollte nicht direkt wieder den Ausgleich fangen. Aber sie hörten natürlich nicht auf mich, wie auch, der Dolmetscher steckte irgendwo auf den Tribünen. Ich meinte sogar, ihn in East Bengal - Fankleidung erkannt zu haben, aber das wird später geklärt. Mein Team stand also hinten extrem offen und spielte für meine Verhältnisse weit zu offensiv. Und dann kam, was kommen musste: Wir machten das 3:1!!! Ausgerechnet Verteidiger Kali Alaudeen nickt nach einer Ecke ein! Ich war perplex, noch mehr als die Zuschauer. In der Pause leerte sich das Stadion zu gut einem Viertel - ich fragte mich, ob die alle heimgingen oder heimlich zu unserem Fanshop liefen, um Trikots und Schals...wie? Achso, ja. Wir hatten ja keinen Fanshop. War nur ein zu schöner Gedanke.
In einem sonst ausgeglichenen Spiel hielten meine Spieler wie wahre Kämpfer dagegen. Trotzdem fingen wir uns in der 68. Minute den so gefürchteten Anschlusstreffer ein. Ich reagierte etwas später und nahm mit Sandesh Gadkari und Okam Singh zwei Spieler vom Feld, die kaum mehr einen Schritt geradeaus machen konnten. Die frischen Hringsolal Thomte und Uttam Singh sollten wieder mehr Defensivsicherheit bringen. Und das taten sie auch, bis zur 90. Minute brannte nichts mehr an. Und in diesem Moment starteten wir den alles entscheidenden Konter, den Henry Ezeh - zu meinem Jubel- erfolgreich abschloss. Das war's. Schluss, Aus. Gewonnen, schon wieder! Ich erinnerte mich an meinen Traum und notierte in mein Notizbuch, dass ich unbedingt Präsident Singh auf die eventuell anfallende Belastung durch die langen Reisen ansprechen musste...besser noch vor dem Finale in 3 Tagen. In Indien dauern ja alle bürokratischen Prozesse etwas länger...
26.09.2011 East Bengal Club - Air India FC 2:4 (1:3)
Aufstellung: Pa.Kumar - O.Singh (68' U.Singh), A.Mondal, K.Alaudeen, P.Khumar - J.Singh, A.Hassan - M.Shafi (87' S.Velho), H.Ezeh, T.Omi - S.Gadkari (68' H.Thomte)
Bedingungen: Windig, 20°C
Zuschauer: 76.217
Schüsse (aufs Tor): 9 (4) - 8 (5)
1:0 A.Shergill (8')
1:1 T.Omi (23')1:2 H.Ezeh (25', Pr.Kumar)1:3 K.Alaudeen (33', H.Ezeh)2:3 R.Vashum (68')
2:4 H.Ezeh (90', T.Omi)Beste Spieler: R.Vashum (8.1) -
H.Ezeh (9.3), T.Omi (8.3), Pr.Kumar (7.9)