Ich bin ja selber in der "Entwicklungshilfe" aktiv und seit zwei Jahren in Bolivien "im Einsatz".
Zuerst einmal finde ich es löblich, dass du so was machen willst. Ich will dennoch einige "kritische" Punkte von Einsätzen ansprechen.
Nachhaltigkeit: Das Problem von Kurzeinsätzen die nich von einer seriösen Agentur vermittelt werden ist die Nachhaltigkeit. Also was soll dein Einsatz bewirken und was soll bleiben wenn du wieder gehst. Vielfach werden von lokalen NGOs - also NGOs in den Einsatzländern - ausländische Freiwillige gerne akzeptiert. Aber vorallem mit einem Hintergedanken: Geld, entweder direkt durch den Einsatz oder dann dadurch, dass der/die Freiwillige Kontakte zu potentiellen Geldgebern herstellen können. Interesse am Wissen und Arbeitskraft ist da gar nicht gross vorhanden. Der/die Freiwillige ist teilweise sogar eher eine Behinderung, da Ressourcen für sie/ihn freigemacht werden müssen (Betreuung). Es kommen viele Freiwillige aus theoretischen Gebieten (wie Politologie - sorry Cubano nicht persönlich nehmen), die zwar theoretisches Wissen liefern aber praktisch nichts beitragen können, oder erst nach längerer Einführungszeit.
Und mit einem kurzfristigen Einsatz und sei es auch ein tolles Projekt welches auf dem Papier sehr gut funktioniert ist die Umsetzung im "campo - Feld" eher zweifelhaft. Konkretes Beispiel aus der NGO - welche Folteropfer betreut - einer Freundin die auch immer wieder Freiwillige haben. Die Freiwillige sah während ihrem Einsatz, dass eines der Folteropfer (ein älterer Herr) ein sehr tristes Leben in quasi einer Abstellkammer seines Sohnes führt. Er schläft auf einer Matratze am Boden - durch seine Verletzungen wäre ein Bett besser - hat kein Tageslicht, kann nicht richtig essen (keine Zähne mehr durch die Folterung) und noch einige weitere Aspekte. Die Freiwillige beschliesst nun - in Rücksprach mit der NGO - Geld zu sammeln, und damit direkt etwas für die Lebensqualität des Opfers zu machen. Es kommt eine hübsche Summe zusammen. Es wird ein Anbau mit Fenstern gebaut, ein Pflegebett gekauft und auch ein Mixer damit das Essen püriert werden kann. Die Freiwillige kehrt glücklich in ihr Heimatland zurück und ist der festen Überzeugung, etwas Gutes getan zu haben. Die Situation ein halbes Jahr später: Der Alte schläft wieder auf dem Boden in seiner Kammer, der Sohn ist in den Anbau gezogen und der Mixer wird auch nicht für das Essen des Opfers gebraucht, da der Aufwand zu gross ist. Dazu kommt noch, dass jetzt natürlich auch andere Familie für "ihre" Opfer ähnliche Zuwendungen wollen.
Ein kleines Beispiel, dass in abgewandelter Form immer wieder passiert. Der Europäer kehrt als Gutmensch zurück hat die Situation kurzfristig verbessert aber langfristig eher Probleme geschaffen (ein grundsätzliches Problem der Entwicklungshilfe - auch der staatlichen).
In der NGO bei der ich hier in Bolivien arbeiten haben wir auch immer wieder europäische Freiwillige. Wir versuchen aber, dass sie bei uns was leisten, was der Organisation auch hilft - also z.B. die Diplomarbeit über ein Gebiet in dem wir arbeiten und wir durch die Erkentnisse der Diplomarbeit unsere Arbeit verbessern können. Leider funktioniert es meistens nicht. Und da komme ich zum nächsten Punkt.
Frustration: Man will helfen, die Hilfe wird aber teilweise gar nicht angenommen. Zum einen liegt es an kommunikativen Missverständnissen, an falsch abgeklärten Bedürfnissen oder auch einfach an Desintresse. Die Vereinbarung, dass ein/e Freiwillige/r kommt wird auf Direktionsebene gemacht. Tatsächlich arbeitet der/die Freiwillige dann aber auf tieferer Eben mit, die gar nicht informiert wurden, dass eine Freiwillige kommt. Da steht er also am Tag X und niemand kümmert sich um ihn. Ihre Ideen werden grundsätzlich abgeblockt, denn zum einen wurde sie einem von der Direktorin vor die Nase gestellt, zum anderen ist es eh ein kolonialistischer "Gringo" der die Länder ja erst in den Schlamasel gezogen hat, wieso soll man also seinen Ideen trauen, zu dem weiss er eh nicht wie die Realtität bei den Bedürftigen ist.
Ist überspitzt formuliert, hab aber selber gesehen, wieviele Freiwillige nach kurzer Zeit frustriert waren. Einfach weil sie nicht verstanden haben, dass es halt anders läuft als in Europa.
Seriösität: Eine seriöse NGO zu finden ist wohl das A und O, dann sollten auch die obigen Punkte nicht passieren.
Finanzierung: Die Idee von Konni mit Rotary ist toll, aber da kommen wir wieder ins Problem der Nachhaltigkeit. Was passiert, wenn das (kurzfristige) Projekt beendet ist? Wer macht eine Evaluation, eine Nachbesprechung? Meistens niemand. Das Geld wurde für den "Traum" eines/r Europäerin eingesetzt. Eine Abklärung ob solch ein Projekt überhaupt benötigt wird ist sehr schwierig - selbst für die NGO in der ich arbeite ist es schwierig in den ländlichen Zonen wirklich Projekte zu entwickeln die auch benötigt werden, und dies mit über 20 Jahren Erfahrung. Du wirst wahrscheinlich keine lokale NGO finden die Nein sagen wird wenn du mit einem Projektvorschlag (der finanziert ist) kommst - sowie keine Dorfgemeinschaft ein Projekt ablehen wird, auch wenn sie es gar nicht bräuchte. Denn dies bedeutet Geld. Viele lokale NGOs sind auf Gelder aus Europa angewiesen, nur wird das nicht mehr so gestreut wie noch vor 15 Jahren, als den NGOs sinnlos Geld nachgeworfen wurde. Aber was passiert wenn du wieder gehst? Keine Finanzierung mehr...
So jetzt genug mit dem Moralfinger gewunken. Ich finde es wirklich toll, wenn sich jemand in diesem Bereich engagieren will. Bevor meinem Einsatz hier war ich auch als "Freiwilliger" unterwegs. Unter anderem 4 Monate bei einem Menschenrechtsradio in Costa Rica und einen Monat bei einer Gewerkschaftsdachorganisation in El Salvador. Du lernst ein Land einfach anders kennen als als Rucksacktourist und lernst Leute und Orte kennen die dir sonst verschlossen bleiben würden.
Informier dich doch aber zuerst mal beim giz (Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit
www.giz.de). Vielleicht haben die sogar sowas wie ein Nachwuchsprogramm oder können dir eine Organisation empfehlen.
Und wenn es nicht unbedingt in der Entwicklungshilfe sein muss gibt es noch "Help Exchange" (
www.helpx.net). Da kann man seine "Arbeitskraft" gegen Kost und Logie anbieten. Eine Kollegin war mit denen schon in Costa Rica und hat dort in einem Backpacker gearbeitet. Vielleicht auch was - soweit ich weiss haben die von wie gesagt Backpacker über Nationalpark bis Kinderheim alles im Angebot.
Und dann gibt es ja noch Peace Brigades (
http://www.pbideutschland.de/) wäre vielleicht auch was.
Entschuldigt den langen Diskurs, es sollte jetzt auch nicht so aufgefasst werden, dass ich gegen solche Projekte bin. Die "Entwicklungshilfe" ist extrem komplex und man könnte noch viele Punkte ansprechen.
Für weitere Fragen könnt ihr mir gerne auch eine PN schreiben, damit ich diesen Thread nicht noch mehr zumülle.
Saludos desde Bolivia