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[tacticus]

In meiner Erinnerung habe ich Geißler in der CDU eigentlich immer als jemand wahrgenommen, der in Relation zum dortigen Umfeld immer eher "linke" Positionen eingenommen hat. Ein Hardliner war er meiner Meinung nach nicht, damals ging es im Bundestag noch richtig zur Sache

Ob die Schlichtung neutral abgelaufen ist, kann ich mangels Informationen nicht beurteilen.

[tacticus]

Noch zu Brandts Zitat:
"Dass Willy Brandt das gesagt hat, hat mich insoweit in meinem Image fast
verletzt, weil das nämlich juristisch sauber kalkuliert war. Er hat ja nicht
gesagt "der größte Hetzer wie Goebbels", sondern "seit Goebbels". Damit
war er natürlich juristisch nicht fassbar. Es war also so, dass er sich das
genau überlegt hat. Seine Aussage fiel allerdings gar nicht im
Zusammenhang mit meinem Zitat über das Verhältnis von Pazifismus und
Auschwitz, sondern es war so, dass die SPD 1985, zum vierzigjährigen
Gedenktag der Kapitulation und der Befreiung, die Oberbürgermeister der
von den Nazis bombardierten Städte nach Nürnberg eingeladen hatte. Sie
machte das unter der Überschrift: "Nie wieder Krieg von deutschem Boden!"
Ich habe da dann lediglich die Frage gestellt, warum denn da der zweite
Satz von Kurt Schumacher nicht auch mit dabeisteht, nämlich "Nie wieder
Diktatur auf deutschem Boden!" Ich gab auch gleich die Antwort mit dazu:
Wenn sie diese Überschrift genommen hätten, dann hätten sie z. B. die
Oberbürgermeister von Dresden und Leipzig nicht einladen dürfen, weil es
dort ja wieder eine Diktatur auf deutschem Boden gab. Das hat Willy Brandt
so in Rage gebracht, dass er diesen Satz gesagt hat. Wenn man diese
Geschichte jedoch kennt, dann richtet sich so eine Aussage natürlich von
selbst."
http://www.br-online.de/download/pdf/alpha/g/geissler_heiner.pdf

[El_Pocho]

OK, überzeugt 

Ich habe mich nur immer gefragt warum sich Geissler hat für diese Schlichtung einspannen lassen. Hat er gedacht, er kann was erreichen? Sein Kompromissvorschlag wurde ja auch abgelehnt. Oder war es irgendwo eine gewisse Geltungssucht?

[tacticus]

Seine eigene Motivation kann ich nicht beurteilen, er war ja schon früher als Schlichter bei Tarifstreiks eingesetzt, vielleicht hat man ihn deshalb gefragt.

[HcLugano]

Sehr interessant: Karlsruhe war dagegen 

Nicht unbedingt. Befürchten ja, dass dann zu wenig Geld für den Ausbau der Rheintalbahn vorhanden sei. Kostet ja auch fast sechs Mia.

[mancity]

Ich hab Geißler auch noch als Kettenhund von Kohl in Erinnerung. Dass er mittlerweile eher links wirkt, spricht nicht gerade für die Linke. Er ist aber immer noch ein konservativer Fundamentalist. Schon dass er sich kein anderes positives Menschenbild als ein christliches vorstellen kann, disqualifiziert ihn völlig. Oder er beschreibt einerseits den sehr fragwürdigen Charakter der Institution "Katholische Kirche", aber zieht keinerlei ideologische Konseqzenzen daraus. (Beziehe mich auf den Link von oben)

[tacticus]

"Kohls Kettenhund" wurde ja vom Spiegel etc. genüsslich aufgegriffen, Schäuble fand ich schon damals viel schlimmer. Was ist ein konservativer Fundamentalist? Natürlich ist Geißler von seiner Erziehung durch die Jesuiten geprägt, aber dass er sich kein anderes positives Menschenbild als das christliche vorstellen kann, das würde ich dann doch gerne mal zitiert sehen.

[mancity]

Zumindest für die CDU nicht. Und wie er über 85 Prozent Nichtchristen am Beispiel Leipzig erzählt, ist auch nicht gerade intellektuell koscher.

Reuß: Welche Rolle spielt eigentlich – ganz allgemein – noch das "C" im Namen
der CDU in der Politik? Welche Rolle spielt dieses "C" für Sie selbst in der
Politik?
Geißler: Das ist die spannende Frage, weil dieses "C" in der Gesellschaft ohnehin
sehr unterschiedlich bewertet wird: In Leipzig, wo der vorvorletzte Parteitag
der CDU stattfand, sind nur 15 Prozent der Leute getauft und 85 Prozent
nicht getauft. Was diese 85 Prozent sind, weiß ich gar nicht, aber sie sind
jedenfalls nicht getauft. In Hamburg ist das zwar hinsichtlich der
Größenordnung ein wenig anders, aber auch dort sind nur 45 Prozent
getauft und 55 Prozent nicht getauft. Das war schon vor zehn Jahren so.
Nur drei Prozent der evangelisch getauften Menschen gehen am Sonntag
regelmäßig in die Kirche, bei den Katholiken sind es immerhin noch acht
oder zehn Prozent – überwältigend ist das also auch nicht. Man kann daher
sogar die Frage stellen, ob denn das "C" im Namen der CDU überhaupt
noch attraktiv ist oder ob es nicht doch eher abschreckend wirkt. Ich glaube
das jedoch nicht, denn dieses christliche Menschenbild ist die
Voraussetzung und bildet das Fundament für eine richtige Politik. Denn
falsche Menschenbilder hat es in diesem Jahrhundert ja immer wieder
gegeben. Man hat den Menschen eingeordnet in bestimmte Kollektive: Wer
nicht der richtigen Klasse angehört hat oder der richtigen Rasse, der
richtigen Religion oder der richtigen Nation, wurde vergast, liquidiert,
deportiert, zu Tode gefoltert oder in die Luft gesprengt bis auf den heutigen
Tag – wie man auf dem Balkan sehen kann. Deswegen ist es wichtig, dass
man dieses richtige Menschenbild, wie Sie das soeben auch dargestellt
haben, hochhält. Davon darf man nicht abgehen.

http://www.br-online.de/alpha/forum/vor0001/20010125.shtml

[tacticus]

Ich kann daran nichts verwerfliches sehen:
"Die CDU ist eine christlich-demokratische Partei. Ihre Grundlage
muss das christliche Menschenbild bleiben. Es bedeutet, das
Menschenwürde unteilbar ist, unabhängig von jung oder alt, Mann oder
Frau, arm oder reich, schwarz oder weiß, leistungsfähig oder krank,
Deutscher oder Ausländer."

Ist aber letztlich auch egal, Geißler ist eh nur eine Randfigur, was S21 angeht.

[El_Pocho]

Auch unabhängig von Gläubig oder nicht? Da hört das tolle Menschenbild dann meistens auf.

Aber back to topic 

Naja, Randfigur stimmt, aber ich finde es trotzdem interessant, da ich ihn wie gesagt nicht einordnen kann und mich frage ob er sich bewusst für das abgekartete Spiel "Schlichtung" hat einspannen lassen oder ob er da einfach idealistisch ranging.

[mancity]

Auch unabhängig von Gläubig oder nicht? Da hört das tolle Menschenbild dann meistens auf.

Gute Frage, El_Pocho.

DAS ist genau der Punkt jeder Ideologie, Religion etc. Irgendeinen Außen, einen Nichtdazugehörenden brauchen die immer. Und deshalb ist für mich Geißler auch nur ein Fundamentalist. Die Atheisten, und Agnostiker sind bei ihm nämlich nur so eine anonyme Masse, für die man nicht mal einen Namen braucht. Unfassbar find ich sowas.

[tacticus]

Ach Gottchen, Geißler als religiös-konservativer Fundamentalist mit Kreuz und Knarre Braucht man solche Feindbilder wirklich noch?

[mancity]

Dass Fundamentalisten mit Kreuz und Knarre rumrennen, ist einfach nur ein Klischee. Mir geht es einfach ums Denkmuster. Und da braucht auch ein Herr Geißler sein Feindbild, den Nichtchristen. Mit welcher Legitimation er das tut, erschließt sich mir nicht.

Ich möchte auch nicht wissen, wieviele Leute weltweit in Kirchen rennen, nur weil sie bei den Nachbarn durch wären, täten sie es nicht. Und das ist nicht die Schuld der Leute, sondern der Ideologie an sich. Soviel zum "richtigen christlichen Menschenbild".

[wrdlbrmft]

Zweiter Streich war die großartig orchestrierte "Schlichtung" mit CSU-Hardliner a.D. und jetzt Erklär-Bär Heiner Geißler, bei dem - natürlich - rauskam, daß S21 gebaut werden muss.

geissler wurde gefragt, ob er die schlichtung übernehmen würde. es war aber eigentlich von vornherein klar, dass die schlichtung nichts bringt, weil beide seiten auf ihren standpunkten verharren würden. "nein zu s21 - ja zu s21, entweder - oder": was soll man da denn schlichten? er hat es ja dann noch mit dem modell "ein paar gleise oben (Nahverkehr) und ein paar unten (fernverkehr)" als idee versucht, was aber vor allem von den befürwortern "als alter käse" abgelehnt wurde.

Dritter - aus dem zweiten hervorgegangener Streich - war der "Stresstest". Ich schiesse jetzt mal aus völliger Ahnunglosigkeit heraus: es geht doch bei dem Streit nicht darum, OB Stuttgart einen neuen Bahnhof kriegt, sondern WELCHEN. Hätte man da nicht auch die Alternativen "stresstesten" müssen, um zu sehen, welche besser abschneidet? Ist dies in irgendeiner Form passiert? Dazu kommen Zweifel an der Unabhängigkeit des "stresstestenden" Institutes.

bei dem stresstest ging es darum zu überprüfen, ob der neue bahnhof effizienter sei als der kopfbahnhof. die gutachter bescheinigten dies, einige verbesserungen mussten in die pläne aufgenommen werden. die gegner kritisierten das ergebnis, weil sie nicht erfuhren, mit welchen zahlen der db dieser stresstest durchgeführt wurde. alternativen wurden laut regierung überprüft und als nicht sinnvoll eingestuft.

Und der vierte Streich: die Volksabstimmung, deren Ergebnis ich mal ganz frech als das Ergebnis der 12monatigen Dauerbefeuerung Pro S21 durch die großen Medien, der Diffamierung der Gegner und der von mir beschriebenen Marketingcoups bezeichnen wurde.

viele hatten einfach auch keine lust mehr auf das thema oder waren desillusioniert ("wird doch eh gebaut, egal was kommt, der staat drückts durch") und blieben der wahl fern. ob mit all den desillusionierten die abstimmung gegen s21 anders gelaufen wäre, kann man nicht sagen. auf jeden fall war es dann noch schwerer das quorum zu erreichen.

auch toll, wie die cdu sich jetzt über eine volksabstimmung freut , die sie eigentlich gar nicht wollte und das ergebnis jetzt auch noch als sieg ihrer politik darstellen wollen. weder wurde die cdu wegen s21 abgewählt, noch wird sie wegen s21 plötzlich zum wahlsieger.

Sehr interessant: Karlsruhe war dagegen 

freiburg auch ... stuttgart innenstadt (bis auf den norden ) auch.

[tacticus]

Und da braucht auch ein Herr Geißler sein Feindbild, den Nichtchristen.

Wo braucht er das denn?

[mancity]

Sehr interessant: Karlsruhe war dagegen 

Was hat denn jetzt Fußball damit zu tun?  (Sorry, wollte nur mal albern sein.)

[mancity]

Und da braucht auch ein Herr Geißler sein Feindbild, den Nichtchristen.

Wo braucht er das denn?

Zumindest den Verdacht weckt er. In dem Moment, wo er sagt, er wisse gar nicht, was diese 85 Prozent eigentlich sind. Er hält sich da vornehm zurück. Jemand mit weniger Intellekt hätte vielleicht Ungläubige gesagt. Jemand mit mehr Wohlwollen Atheist oder Agnostiker. Dass Geißler diese ihm sehr wohl bekannten Begriffe nicht verwendet, lässt da sehr viel Raum für Interpretationen.

Ähnlich ging es mir beim Papstbesuch. Da hatte ich echt das Gefühl, ich bin Mensch zweiter Klasse, nur weil ich kein Christ bin. Wenn man da auf die Rhetorik achtet, fällt einem sehr wohl auch, dass  da mit Ausgrenzung gearbeitet wird. Und mit einer  großen Portion Paternalismus, der immer auch Bestandteil von Fundamentalismus ist.

Vielleicht können wir dazu ja einen extra Thread aufmachen. Ich finde das als philosophisches Thema sehr interessant. Nicht um jetzt irgendwelche Personen als Bösewichte zu entlarven. Geißler finde ich als Person ja durchaus sympathisch.

[tacticus]

So wie du das jetzt schreibst, habe ich damit gar kein Problem, das liest sich schon ganz anders.

Jede Gruppe grenzt sich doch von anderen ab, da sehe ich kein größeres Problem, solange daraus keine stärkeren negativen Gefühle erwachsen.

[mancity]

Wir könnten ja wirklich einen Thread dazu aufmachen. Ich müsste da aber erst mal überlegen, wie man das angehen könnte. Das kann aber etwas dauern, weil ich gerade nicht wirklich fit bin. Wäre aber schön, wenn Du dabei wärst.

An einem Punkt bin ich ganz und gar bei Heiner Geißler. Wie er die Ökonomisierung aller gesellschaftlichen Beziehungen beschreibt, ist sowas von zutreffend.

http://www.youtube.com/watch?v=JF71dIqk1f4

Das sage ich auch,weil ich selbst Erfahrungen mit dem Hartz4-System gemacht habe. Und meine Erfahrung ist, dass es nicht darum geht, Menschen in eine zukunftsfähige Arbeit zu bringen, in welcher sie auch gut sind, sondern es geht darum, den Menschen ihre letzte Würde zu rauben, um sie in die letzten Drecksjobs zu zwingen, die aber auch gar nichts mit dem zu tun haben, was die Leute zu leisten im Stande wären.

[tacticus]

Wir könnten ja wirklich einen Thread dazu aufmachen. Ich müsste da aber erst mal überlegen, wie man das angehen könnte. Das kann aber etwas dauern, weil ich gerade nicht wirklich fit bin. Wäre aber schön, wenn Du dabei wärst.

Mach das mal, bin dabei, hier sind wir wirklich sehr weit vom Thema weg.