Ich bin jetzt in diese Luxus-Wohnung umgezogen...Natürlich war ich vorher auch schon öfter hier, gestern allerdings das erste Mal zum samstäglichen Mietertreff des ganzen Hauses, offenbar haben die samstags nie was besseres zu tun, ich schon. Das fand in der Wohnung einer Familie unter mir statt, wechselt aber jede Woche, irgendwann bin ich also auch dran. Was für ein Spießerhaufen, ich bin fast vom Glauben abgefallen. Meine Freundin hatte mich zwar vorgewarnt, aber ich hielt das für Klischees und Übertreibungen von ihrer Seite aus. Ich hatte extra einen Kuchen gebacken und einen Kasten Bier mitgebracht. Bier war halt Sternburger, das war vielleicht nicht so klug von mir, aber hey: es war Freibier. Jedenfalls wollte das keiner, "Wein wäre besser gewesen". Da musste ich das erste Mal in mich reingrinsen. Der Kuchen war nicht bio genug, ok. Das nächste mal bringe ich einen Mettigel-Hawaii mit Salzstangen mit, garantiert aus biologischer Schweinezucht (nichts gegen Bio, aber mensch kanns auch übertreiben).
Zu Beginn der Tagesordnung durfte ich mich vorstellen. Ich habe das subtil humorvoll getan, indem ich gesagt habe, dass meinen Namen ja schon alle kennen, weil sie vermutlich schon das Klingelschild genau inspiziert hätten. Also ich habe beim Umzug gemerkt, dass ich ständig von neugierigen Blicken beobachtet wurde, natürlich hat niemand gefragt, ob Hilfe nötig sei, und daraus habe ich geschlussfolgert, dass mindestens 3/4 der Mieter erstmal schauen mussten, wie ich heiße. Ich habe mit einer etwas angesäuerten Reaktion gerechnet wie "Nein, wir sind doch nicht so neugierig und schauen uns extra die Klingelschilder an"...Kam nicht, die einzige Reaktion war, dass das Klingelschild so nicht ginge, das sähe assig aus. Aha, ich habe unter den Nachnamen meiner Freundin meinen handschriftlich darunter gesetzt. Das nächste Mal kotze ich die Wand an und verewige meinen Namen in der Suppe.
So ging es jedenfalls weiter, nur hatte ich keine Lust mehr. Die Frage nach meinem Beruf habe ich unehrlich beantwortet und mich als arbeitslos bezeichnet. Großes Raunen. Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Jedenfalls durfte ich ab dem Zeitpunkt mein erstes Sterni aufmachen. Die Gesprächsthemen drehten sich dann um mieterrelevantes Zeuchs, die Betriebskostenabrechnungen wurden ellenlang diskutiert, ein Mieter, der sich "mit Recht von Berufswegen auskennt", wusste zu berichten, dass Schädlingsbekämpfung nicht auf die Mieter umlegbar ist. Auf meine Frage, ob es sich denn um eine einmalige oder dauerhafte, wohlmöglich noch prophylaktische Schädlingsbekämpfung handelte, wurde ich verwundert angeschaut: "Das macht absolut keinen Unterschied." Ich wollte nicht fragen, was ein Mensch, der sich "von Berufswegen mit Recht auskennt" denn arbeitet, ich hoffe aber inständig, dass er kein Rechtsanwalt ist. Sowieso hoffe ich, dass keiner dieser Menschen irgendeine gesellschaftsrelevante Existenz führt, bis auf meine Nachbarn, die sind ganz nett, wir kennen uns schon ein wenig länger. (zur Info: dauerhafte Schädlingsbekämpfung darf in der Tat auf den Mieter umgeschlagen werden und zwar zu 100%, da es sich um Instandhaltungs- und Mangelbeseitigungsmaßnahmen handelt. Bei einmaligen Schädlingsbekämpfungen ist die Sache nicht so klar, aber es ist jedenfalls nicht so, dass die Kosten "auf keinen Fall" umlagefähig sind. Im vorliegenden Fall handelt es sich um dauerhafte Maßnahmen, ich habe dazu aber lieber nichts gesagt. Soll der Mieter zum Anwalt gehen, 200€ abdrücken und sich das von dem sagen lassen, kostenlose Rechtsauskünfte gebe ich diesen Menschen jedenfalls nicht).
Ich habe mich dann größtenteils aus der Diskussion herausgehalten, war froh, dass es nach 2 Stunden vorbei war, habe dann noch gesagt, dass ich keine Mietersitzung in meiner Wohnung abhalten möchte und mich ferne an keiner dieser Runden mehr beteiligen möchte, dies traf dann auch auf allgemeine Zustimmung. Ich vermisse mein Rattenloch (Schädlingsbekämpfung war da noch Privatsache
) und meine studentischen Nachbarn. Das ist echt das volle Kontrastprogramm und ich hätte nie gedacht, dass Klischees einmal so zutreffend sein können.
Ich habe jetzt übrigens herausgefunden, dass der Mensch, der sich "von Berufswegen mit Recht auskennt" irgendein höheres Tier in der Verwaltung der Bundeswehr ist.