Ich möchte auch direkt mit einem kleineren Beitrag von mir selber starten. Ausgangslage war ein schlecht recherchierter Artikel der Welt, welcher eine Opta-Analyse aufgreift:
https://www.welt.de/sport/article162217353/Der-statistische-Beweis-fuer-den-spaeten-Bayern-Bonus.html Im Artikel geht es darum, statistisch zu belegen, dass es einen Bayernvorteil gibt, der darin bestünde, dass diese bei der Nachspielzeit bevorteilt werden. Der entscheidende Passus:
Zudem kommt Opta zu dem Ergebnis, dass die Schiedsrichter die Nachspielzeit bei einer Münchner Führung deutlich geringer ansetzen als bei einem Rückstand oder einem Unentschieden. Die durchschnittliche Nachspielzeit in dieser Saison beträgt ligaweit 3:01 Minuten, in den 21 Spielen der Bayern waren es 2:53 Minuten, die Abweichung ist also minimal.
Nun aber kommen die Unterschiede und der statistisch belegte Zeit-Bonus. 15 Mal führten die Bayern nach 90 Minuten. In diesen Spielen ließen die Schiedsrichter im Schnitt nur 2:17 Minuten nachspielen. Sieben Mal aber stand es Remis oder der Gegner führte. Dann hatten die Bayern deutlich mehr Zeit als ihre Kontrahenten, nämlich 4:06 Minuten.
Der Artikel beruft sich auf die Saison 16/17, ich hatte mir das damals etwas genauer angeschaut und möchte stichpunktartig darlegen, dass Daten lügen können, wenn man nicht in der Lage ist oder dies bewusst nutzt, sie richtig auszuwerten.
1. Dass bei Bayernführung früher abgepfiffen wird als im Schnitt, sagt erst einmal gar nichts aus, solange man nicht weiß, wie das bei anderen Teams in Führung aussieht und das mittelt (der Vergleich mit der Nachspielzeit allg. im Schnitt hat keinerlei Aussagekraft).
2. Daten ohne Interpretation sind wenig aussagekräftig. Beispielsweise gab es in dieser Saison am ersten Spieltag die Partie Bayern:Bremen. Die Nachspielzeit betrug hier eine Minute, bei einer 6:0 Führung ist das aber definitiv kein Bonus für die führende Mannschaft. In der Statistik von Opta und der Welt wird jedoch genau das suggeriert.
3. Die Aussage, dass Bayern bei eigener Führung weniger Nachspielzeit erhält, um nicht in Gefahr zu geraten, noch einen Ausgleich zu kassieren, wollte ich überprüfen: Rechnet man alle Spiele mit einer Führung von 2 Toren oder mehr nach 90 Minuten raus, bleiben genau vier Partien der Bayern übrig, in denen man mit einem Tor führte: Hamburg, Darmstadt, Leverkusen, Bremen. In den Partien betrug die Nachspielzeit im Schnitt 3:45 Minuten. Abgesehen davon, dass die Anzahl der Spiele zu gering für eine wirkliche Aussagekraft ist, steht die Nachspielzeit in diesen Spielen somit bei 44 Sekunden länger als die durchschnittliche Nachspielzeit aller Spiele.
4. Möchte man einen Bayernbonus statistisch abbilden, müsste man also beispielsweise für alle Vereine nur die Spiele heranziehen, die mit einem Tor Differenz ausgingen.
Was ich mit diesem Beitrag primär zeigen möchte: Statistiken sind schön und gut, aber sie werden leider sehr häufig in einer Art und Weise verwendet, dass sie bei näherer Betrachtung gar nichts belegen. In diesem Sinne: Auf spannende Diskussionen.