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Autor Thema: Ellie Diesel – oder wie ich lernte Dresden zu lieben  (Gelesen 1416 mal)

Scarabeo

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Ellie Diesel – oder wie ich lernte Dresden zu lieben
« am: 31.August 2011, 20:26:37 »

So, dann will ich auch mal.
Bisher habe ich nur eifrig gelesen und versucht zu verstehen. Und dann dachte ich mir, eine Story gibt evtl. die Motivation, länger als üblich an einem Save zu spielen um noch besser zu verstehen. So kam es also zu…..

Ellie Diesel – oder wie ich lernte Dresden zu lieben

Kurzentschlossen bugsiere ich meinen betagten Volvo 850 in die sich überraschend auftuende Parklücke. Glück muss man haben, immerhin ist ein Taxistand in der Nähe. Das Weiterkommen ist also gesichert. Blöde Tankuhr. Zeigt alles Mögliche an, nur nicht den korrekten Tankinhalt. So ein Mist. Egal, dann halt mit dem Taxi. Anhand des Gehänges am Rückspiegel mutmaße ich, dass der Fahrer wohl aus dem indischen Kulturkreis kommt. Auf meine Bitte, mich direkt und schnellstmöglich zum Großen Garten zu bringen, reagiert er mit einem unverständlichen Gemurmel gefolgt von einem Grinsen in der Farbe eines Marders. Die Fahrt zieht sich. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so weit von meinem eigentlichen Ziel entfernt meinen Volvo abgestellt habe. Verdammt. Ich hatte doch in der Hektik glatt vergessen, mir die Straße zu merken, wo der Gute auf mich wartet. Na das kann ja noch was werden! Egal, wir bewegen uns vorwärts, zumindest schaukelt der altertümliche Peugeot 404 so, als ob er fahre. Sehen kann ich nur sehr verschwommen. Das liegt am Qualm, der mir die Sicht raubt. Rauchertaxi. Was immer der Fahrer auch qualmt, legal kann es nicht sein. Wahrscheinlich hat er sich Emissionszertifikate gekauft und raucht diese jetzt ab. Schemenhaft glaube ich im vorbeifahren meinen Volvo zu erkennen. Der Kerl wird hier doch nicht im Kreis fahren?  Schließlich kommen wir doch noch an. Mit tränenden Augen entrichte ich meinen Obolus, der Fahrer lächelt hintergründig und entlässt mich mit einem aufmunternden Nicken in die Freiheit. So, da stehe ich also vor dem Rudolf-Harbig-Stadion, meiner neuen Wirkungsstätte. Gegenüber liegt das Trainingsgelände.  Entschlossen laufe ich los. Mein erster Arbeitstag in Dresden!
                                         
Auf meine Bitte hin wurde das Trainerteam erweitert. Mit Erwin Vandenbergh, Domenico Sbordone und Frank Utsch haben wir jetzt einige erfahrene Leute mehr im Verein. Das wird uns schon weiterhelfen. Hoffe ich jedenfalls. Am Samstag, den 10.07. haben wir das erste Testspiel. Wir spielen gegen Motor Eberswalde. Ich denke, dass wird einigermaßen gut über die Bühne gehen. Vor allem unsere jungen Leute sollen da getestet werden. Bis jetzt habe ich noch keinen richtigen Eindruck von der Leistungsfähigkeit des Teams. Aber das kommt schon noch. Irgendwie muss ich mir langsam aber sicher  eine Wohnung suchen. Die Pension in Naußlitz ist ja an sich nicht schlecht, aber eine eigene Wohnung hat schon was. Ich werde mal in der Geschäftsstelle nachfragen, ob man mir dabei behilflich sein  kann.

Die Testspiele gegen Eberswalde und Dorfmerkingen endeten 2:0 bzw. 6:0. Ich habe der Mannschaft ein 4-5-1 verordnet, sie scheint mit dem neuen System gut zurecht zu kommen. Bis jetzt gibt es keinen Grund zu klagen. Alle sind mit Eifer bei der Sache, die Trainingsleistungen stimmen, allein die Vereinsfinanzen geben wohl Anlass zu Sorge. Neuverpflichtungen waren bis jetzt nicht möglich, die Verhandlungen scheiterten immer an den überzogenen Gehaltsforderungen vollkommen abgehobener Berater. Nun gut, wir müssen es halt weiter probieren. Die Scouts jedenfalls arbeiten auf Hochtouren.  Am Samstag, dem 24.07. geht es los, dass erste Ligaspiel steht an. Und mein erster Auftritt auf der Bühne des Profifußballs! Kalt lässt mich das nicht. Zum Glück habe ich jetzt eine Wohnung gefunden. In Naußlitz. Sie ist noch etwas kahl, das eine oder andere fehlt, aber dafür habe ich direkt gegenüber nette Nachbarn. Er ist Fussballfan, natürlich Dynamo, und hält mit Tipps nicht hinter dem Berg. Sie interessiert sich nicht für Fußball, dafür schmeckt ihr Kaffee umso besser. Ich habe noch keine eigene Maschine, also nehme ich den nachbarlichen Service gerne in Anspruch, dafür darf er mich schließlich auch bei der Mannschaftsaufstellung beraten. 

Abreisetag zum ersten Spiel der Saison nach Bremen. Ich habe mich dazu entschlossen, mit dem Taxi zum Sammelpunkt am Stadion zu fahren. Die nette Nachbarin beginnt sich scheinbar für Fußball zu interessieren, jedenfalls wünscht sie mir beim verlassen des Hauses viel Glück in Hamburg. Das Taxi taucht auf, ein älterer Peugeot 404. Ich öffne die Beifahrertür, schrecke instinktiv vor einer Wand aus Qualm zurück. Je mehr der Rauch sich verzieht gewinnt der Fahrer an Kontur. Mein neuer ceylonesischer Freund grinst mir entgegen und bittet mich mit einer eleganten Handbewegung einzusteigen. Die Fahrt zum Stadion erscheint mir länger als sonst, aber letztendlich trudeln wir noch rechtzeitig ein. Hustend verlasse ich das Gefährt nicht ohne vorher mein Entgelt entrichtet zu haben. Das aufmunternde Nicken beim verlassen der fahrenden Räucherkammer kann er sich sparen, ich reagiere eher frostig. Dafür ernte ich das Mardergrinsen, heute gewürzt mit einem Hauch Frettchen. Irgendwie ist der Kerl mir unheimlich. Aber dann wird meine Aufmerksamkeit von etwas wichtigerem angezogen, denn unweit entfernt, da steht er, unser Mannschaftsbus, bereit zur Abfahrt. Die Frage des Fahrers, ob ich rauche, verneine ich entschieden. Er zieht die Nase kraus. Das nächste Mal fahre ich mit dem Volvo. Jetzt aber ab auf die Autobahn, das Abenteuer Hamburg – ähhh Bremen kann beginnen.

 
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Scarabeo

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Re: Ellie Diesel – oder wie ich lernte Dresden zu lieben
« Antwort #1 am: 01.September 2011, 17:01:54 »

Wieder glücklich zu Hause muss ich natürlich mit meinem Nachbarn das Spiel durchgehen. Auch die nette Nachbarin mischt sich in das Fachgespräch mit erstaunlichen Erkenntnissen ob der Qualität unserer Mannschaft ein. Das 3:0, herausgeschossen durch Treffer von Esswein, Gerrit Müller und Hoppadietz allesamt in der zweiten Hälfte war nach der ersten Halbzeit
fast zwangsläufig, so stark sei die Mannschaft aufgetreten. Das sieht die Sächsische Zeitung ähnlich, auch sie ist voll des Lobes. Woher hat meine nette Nachbarin eigentlich ihr Wissen, aus der Zeitung? Egal, hier einmal exemplarische Auszüge aus dem Text der mit viel Fußballsachverstand gesegneten Redakteure:

24.07.2010 – 3. Liga – 1. Spieltag
                    Werder Bremen II – SG Dynamo Dresden 0:3 (0:0)

… war die erste Halbzeit klar bestimmt von den dominanten Dresdenern…; Bremen war nicht in der Lage, in der ersten Hälfte Akzente zu setzen, zu gut standen die Spieler aus Dresden….; …übernahm Dresden das Kommando und kam fast zwangsläufig durch Esswein zum 1:0 in der 46……; fällt das 2:0 durch Gerrit Müller nur zwei Minuten später; …braucht Hoppadietz in der 75. nur noch abzustauben; …ein überraschend klarer Sieg für Dresden, auch in der Höhe vollauf verdient; …gelungener Einstand von Ellie Diesel!
Tore: 0:1 Esswein (46.), 0:2 G. Müller (48.), 0:3 Hoppadietz (75.)
Zuschauer: 3500


Es war wirklich einfacher als gedacht. Die Mannschaft hielt sich an die taktischen Vorgaben und hatte Bremen fast im gesamten Spiel unter Kontrolle. 60 % Ballbesitz sind eine deutliche Sprache. Außerdem 14 abgegebene Schüsse, Bremen nur 2. Die stabile Abwehr war die Grundlage für den Erfolg. Die Tore fielen dann fast zwangsläufig. Gerrit Müller und Alex Esswein waren die Besten in einer durchweg starken Mannschaft. Mein erster großer Auftritt war ein rundum tolles Erlebnis. So kann es weitergehen! Ich habe ihr extra auf ihre Bitte hin noch einmal das 2:0 durch Müller zeichnerisch festgehalten, auf einem herumliegenden Blatt Papier -



sie ist halt taktisch sehr interessiert, die nette Nachbarin.

Ich habe jetzt eine eigene Kaffeemaschine. Mein netter Nachbar hat sie mir geschenkt. Quasi als Prämie für den Auftaktsieg. Jetzt fehlen nur noch Filtertüten und Kaffee. Und ein Waschsalon. Ich muss mich wirklich mal im Viertel umsehen.
« Letzte Änderung: 01.September 2011, 19:43:26 von Scarabeo »
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Scarabeo

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Re: Ellie Diesel – oder wie ich lernte Dresden zu lieben
« Antwort #2 am: 01.September 2011, 19:07:26 »

Vollkommen verschlafen öffne ich die Tür. Meine nette Nachbarin steht strahlend vor mir, in der einen Hand eine stark nach Kaffee und Brötchen riechende Tüte von „Unser Bäcker“, in der anderen die druckfrische Sächsische, die sie mir mit triumphierendem Lächeln unter die Nase hält. Unten rechts erblicke ich mein Konterfei und den Hinweis darauf, dass Dresden gewonnen hat. Mehr im Sportteil. Den lese ich dann auch gleich, während die nette Nachbarin mit der neuen Maschine Kaffee kocht. Filtertüten hat sie auch gleich mitgebracht, sie denkt halt an alles. Aber nun zur Sächsischen:

                                                                                                       

27.07.2010 – 3. Liga – 2. Spieltag
                  SG Dynamo Dresden – SV Sandhausen 2:0 (1:0)

17000 Zuschauer im Rudolf-Harbig-Stadion feierten nach dem Schlusspfiff enthusiastisch ihre Mannschaft und den neuen Trainer Ellie Diesel. Waren doch die Dresdener zum zweiten Erfolg im zweiten Spiel gekommen und das, ohne das Sandhausen auch nur den Hauch einer Chance gehabt hätte. Schon nach 15 Minuten besorgte Andreas Esswein mir dem 1:0 die Dresdner Führung. Die hätte eigentlich bis zur Pause höher ausfallen müssen, aber Dresden ließ einiges an Chancen leichtfertig liegen. Das 2:0 erzielte wieder der überragende Esswein  unbedrängt aus elf Metern nach einer feinen Hereingabe von Jungnickel aus halbrechter Position in  der 78. Minute. Danach war die Partie endgültig gelaufen.  Überschattet wurde  das Spiel  durch die schwere Verletzung von Lars Jungnickel, der sich einen Bruch des Schienbeins kurz vor Schluss des Spiels zuzog. Dresden steht auf Platz 1 der Tabelle noch ohne Gegentor und wir sind fast versucht zu glauben, dass das noch eine ganze Weile so bleiben wird, so überzeugend präsentierte sich die Mannschaft in den ersten Spielen. Dazu Diesel in der Pressekonferenz nach dem Spiel: „Wir werden natürlich versuchen, uns von dieser Euphorie, die auf und neben dem Spielfeld besteht, so weit wie möglich tragen zu lassen. Der Blick auf die Tabelle ist schon eine tolle Sache, auch wenn uns klar ist, dass erst zwei Spieltage gelaufen sind. Aber wir wollen diesen Zustand solange wie möglich erhalten, nicht zuletzt für unsere tollen Fans, die uns sowohl in Bremen als auch heute grandios unterstützt haben. Danke dafür!“ Mehr bleibt dem Chronisten da nicht mehr zu berichten.
Tore: 1:0 Esswein (15.), 2:0 Esswein (78.)
Zuschauer: 17000



Tja, die Sächsische. Recht hat sie. Der Start war etwas mühsam, da nach der kurzen Erholungspause das Bremer Spiel wohl noch in den Knochen steckte. Aber die Jungs kamen im Verlauf der Partie immer besser ins Spiel und hatten Sandhausen fast durchgängig fest im Griff. Auch in diesem Spiel sprechen 18 Schüsse und 60% Ballbesitz eine deutliche Sprache. Von der Verletzung von Lars sind wir alle geschockt. Wir drücken ihm die Daumen, dass er so schnell wie möglich wieder auf die Beine kommt. Nach den Erfolgen müssen wir Trainer verhindern, dass die Mannschaft abhebt. Da werde ich mit dem Trainerstab wohl mal drüber reden müssen. Eben verkündet die nette Nachbarin, dass der Kaffee fertig ist. Dresden ist eine tolle Stadt, soviel steht fest.

                                                                                                         

Wo denn Aalen liegen würde fragt mich die nette Nachbarin und schickt mir einen aufmunternden Blick über die Kaffeetasse hinweg. Sie studiert gerade die nächsten Begegnungen, abgedruckt in der Sächsischen. Ja, wo liegt das eigentlich? Jedenfalls findet dort unser nächstes Spiel statt, und zwar am Samstag. Englische Woche. Und das gleich zu Beginn der Saison. Ein Spaziergang wird das nicht. Sie haben aktuell 4:4 in Wehen-Wiesbaden gespielt. Dann das nächste Heimspiel gegen Carl Zeiss Jena. Am 21.08. Also fast drei Wochen Pause zwischen diesen beiden Spielen. Zeit, um Verletzungen auszukurieren und vielleicht noch ein Testspiel zu bestreiten. Das muss ich mit dem Trainerstab noch abklären. Sie verkündet, dass sich Aalen zwischen Karlsruhe und Nürnberg versteckt hat. Google sei Dank. Habe ich ihr eigentlich erlaubt, meinen Laptop zu nutzen? Sie schenkt mir noch eine Tasse Kaffee nach. Das Leben kann schon angenehm sein.
« Letzte Änderung: 01.September 2011, 19:46:10 von Scarabeo »
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