Das Problem ist ja ein sehr grundsätzliches - aus meiner Sicht geht es nicht (nur) darum, ob wir einen besseren VAR brauchen oder nicht.
Die Frage, die sich (nicht zum ersten Mal) stellt, ist doch vielmehr: was verstehen wir unter Fussball und was soll Fussball sein?
Diese Frage ist ja auch schon mehrfach gestellt und beantwortet worden.
1. Ganz ursprünglich (in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts) lauteten die Antworten:
"Fussball soll ein Breitensport und massentauglich sein, es soll kein Elitensport bleiben. Und es soll sich vom Rugby abgrenzen."
Ergebnis: zu den ursprünglichen Clubgründungen an Universitäten und sonstigen Vereinen der "gutbürgerlichen"/bessersituierten Gesellschaft (bspw die Old Etonians der Uni Eton, der AFC Cambridge oder auch die Fussballsparte von The Wednesday (Sheffield Wednesday), die ursprünglich nur gegründet wurde, damit die elitären Mitglieder auch in den Wintermonaten einer körperlichen Ertüchtigung frönen konnten) traten nach und nach viele, viele Vereine, die jedermann offenstanden.
Die Abgrenzung zum Rugby wurde durch die Einführung der Association Rules durchgeführt.
2. Um die Jahrhundertwende wurde die obenstehende Frage dann folgendermassen beantwortet:
"Fußball soll nicht nur Amateur-, sondern auch Profisport sein. Spieler und Vereine sollen mit dem Sport Geld verdienen können." (Erste Ablösezahlung: 1893, selbstverständlich in England.)
3. Im folgenden Jahrhundert (also bis in die 90er des 20. Jahrhunderts) wurde die Frage eigentlich immer wieder auf die gleiche Art beantwortet: "Es muß mehr Geld ins System fließen. Wir brauchen mehr Wettbewerbe, mehr Fernseheinnahmen, mehr Sponsorengelder, mehr xyz."
Die "klassischen" Europapokale (UEFA-Cup, Landesmeister-Cup, Pokalsieger-Cup) hatten genau dieses Ziel, genauso wie deren Aufblähung auf immer mehr Spiele.
4. Dann kam die Premier League, eine Gelddruckmaschine par excellence, nahezu gleichzeitig auch die "Reform" der Europapokale.
Ziel (also die Antwort auf die Frage) in beiden Fällen: mehr Einnahmen UND mehr Planbarkeit dieser Einnahmen für den englischen bzw europäischen Fussball"adel".
Und in Schritt vier gehört auch der VAR - denn dieser soll idealerweise ein weiteres Zufallselement aus dem Spiel entfernen.
Ich erwarte (spätestens) innerhalb der nächsten ein, zwei Dekaden eine Umstellung des VAR auf ein KI-gestütztes System, gleiches Spiel auch bei den Schieds-/Linienrichtern.
(Zu guter Letzt könnten dann irgendwann die Spieler noch durch Roboter ersetzt werden. Ob (oder gar wann) das passiert, wage ich nicht vorauszusagen, aber rein logisch betrachtet ist das unausweichlich.)
Im "Business Fussball" ist deutlich zuviel Geld im Umlauf, um das noch in irgendeiner Form unter sportlichen Gesichtspunkten zu betrachten.
Konsequenterweise sollten Fussballergebnisse im gleichen Ticker laufen wie Aktienkurse (zumal die Letzteren bei mehr und mehr Vereinen von Ersteren abhängen!).
Im Sportteil hat dieses Business jedenfalls nichts mehr zu suchen, denn mit Sport (also einem Wettkampf unter Bedingungen, die für alle Teilnehmer gleich sind) hat das Ganze seit Jahrzehnten kaum noch etwas zu tun.
Und deswegen ist es auch nur noch eine Frage der Zeit, bis bei Fehlentscheidungen im Fussball Wirtschaftsanwälte die Gerichte beschäftigen.