Mir tut diese Niederlage extrem weh und habe während der regulären 90 Minuten nie an eine Niederlage geglaubt. Wir waren einfach so dominant und haben schlicht ein ganz großes Spiel gemacht, was ich vor dem Spiel so nicht erwartet habe. Ich hatte auch mit viel mehr Gegenwehr von Chelsea gerechnet. Das war eine der schlechtesten Leistungen, die ich je von einer Mannschaft in einem CL-Finale gesehen habe. Und das muss schon was heißen. Es ist unfassbar, dass die durch das Elfmeterschießen noch die Chance bekommen haben, dieses einseitige Finale zu gewinnen.
Kein Spiel zuvor hat mich emotional so mitgenommen wie dieses. Unbändige Freude nach dem Tor von Müller, man war ich da erleichtert und überglücklich. Ich hatte Tränen der Freude in den Augen, ich streckte mehrmals die Faust gen Himmel. Es war immer mein großer Traum, ein Lebenstraum, zu sehen, wie der FC Bayern Europas Thron besteigt, und noch um 22:29 Uhr, 2 Minuten vor Ende der regulären Spielzeit, sprach alles dafür. Ich malte mir das Bild von Lahm mit dem Henkelpott aus, sah im Gedanken schon Ribéry mit dem Cup über's heimische Grün flitzen. Und dann auf einmal kam aus dem Nichts das Tor, von dem ich bis heute nicht weiß, wie genau es entstanden ist. Es interessiert mich nicht und auch in dem Moment war es mir egal. Ich war einfach überzeugt, dass wir dieses Spiel der vorangegangenen 90 Minuten in der Verlängerung fortsetzen würde, was ja so auch eintrat, auch wenn Chelsea nicht mehr ganz soviel zuließ.
Dann kam der Elfer und ich weiß nicht, wieso Robben den schießen musste. Jeder Blinde hat doch gesehen, dass seine letzten Versuche sehr dürftig waren. Zum Elfmeterschießen...ich weiß nicht, ob das noch die richtige Variante ist, einen Sieger zu finden. Chelsea konnte nur gewinnen, denn sie taten nichts für's Spiel und waren dankbar, dass sie diese Möglichkeit überhaupt bekommen haben. Naja, Cech hat sensationell agiert, war immer in der richtigen Ecke. Ich bin kein Freund davon, zwischen zwei Extremen zu schwanken. Schweinsteiger hat verschossen, aber ein wenig mehr nach Links und der Ball ist drin und er womöglich einer der Helden. Nun wird er als einer der großen Versager dargestellt. Das ist einfach zu hart und ungerecht.
Ich beugte mich vor dem letzten Elfmeter von Drogba vor den Fernseher, faltete die Hände zusammen und versuchte den Fußballgott (welchen es ja nicht gibt; der gestrige Abend ist der beste Beweis) anzubeten, was wie wir wissen, nicht half. Ich sank in mich zusammen. Mir schossen spontan die vielen emotionalen Momente der vergangenen Jahre durch den Kopf: Getafe, Barcelona, Juventus, Man United, Lyon, Inter, Real Madrid und auch das Tor von Thomas Müller fühlte ich. Ich spürte in der Ferne die Emotion, die ich bei diesem Treffer ausgelebt hatte. Als mein großer Lebenstraum keine 5 Minuten mehr entfernt war. Es flossen Tränen der Ungläubigkeit, während Reif sagte: "Chelsea ist Champions League-Sieger 2012" Ein jahrelanger Traum, inklusive Hoffen und Bangen, das Hinleben auf diesen 19. Mai 2012, an dem Legenden geboren werden sollten, wurde zerstört.
Ich sah die Siegerehrung und fragte mich, wieso der Pokal mit den großen Ohren nicht mit rot-weißen Schleifen verziert war. Und wieso waren die Trikots der Spieler, die den Pokal in den Münchner Abendhimmel reckten, nicht rot?
So um das Jahr 2003 wurde ich Anhänger des FC Bayern. Seitdem saß ich bei fast jedem Spiel am TV, ob Bundesliga oder Pokal. Europapokal oder Testspiel, ich musste dabei sein. Weil ich mich in diesen verliebt habe. Er wurde Lebensinhalt, er ist nicht nur irgendein Hobby. Der gestrige Abend war ganz sicher einer der Bittersten in meinem Leben und der Bitterste im Sport, und zwar mit ganz ganz großem Abstand. Heute morgen saß ich am Frühstückstisch, versuchte nochmal zu realisieren, was da wirklich passiert war. Und ich spürte ganz tief in mir, dass es wohl noch einige Wochen dauern wird, bis ich diese schwere Niederlage verkraftet habe. Aber es wird passieren, es werden wieder gute Zeiten kommen. Nur nicht wieder eine so unfassbar große Chance.