[...]einmal das Verhältnis von Verfahrenseinstellungen zu der Anzahl der Strafverfahren, okay. Das ist aber etwas völlig anderes als die Aufklärungsquote bei Fahrraddiebstählen
Nun, ich interpretiere die äußerst geringe Zahl der Verurteilungen und Freisprüche bei Strafermittlungsverfahren für KV im Amt so, dass viele Strafermittlungsverfahren eingeleitet werden, dieses aber nicht aufgeklärt werden können, weil der Täter, die Tatumstände oder sogar die Opfer (der durchschnittliche Antifa wird sich hüten Anzeige zu erstatten, Strafermittlung kann aber durchaus trotzdem stattfinden, wie das Beispiel 1.Mai 2010 in Berlin zeigt, also dieser Tritt, wobei sich der Beamte im Nachhinein gestellt hat, obwohl sich das Opfer nicht meldete) nicht ermittelt werden können. Da Polizeieinsätze in aller Regel immer beobachtet werden, Festnahmen nie alleine durchgeführt werden und bei Demos zig Kamera-Teams der Polizei vor Ort sind ist es recht merkwürdig, dass so viele Verfahren eingestellt werden müssen, weil nicht alle Umstände der Tat ermittelt werden konnten.
Der Fahrradvergleich zielte auf Folgendes hinaus: Mir wurde in Berlin 4 Mal das Fahrrad geklaut, nach dem 2. Mal bin ich nur noch zur Polizeidienststelle gegangen, damit ich Geld von der Versicherung bekomme. Man hat sich quasi überhaupt nicht dafür interessiert. Das Gleiche ist mir auch passiert, als ich Polizisten wegen KV im Amt anzeigen wollte. Ich hatte Videomaterial, das prompt beschlagnahmt wurde mit dem Hinweis auf das Recht am eigenen Bild. Für den Sachverhalt oder meine Schilderungen interessierte sich jedenfalls keiner der Streifenbeamten. Das wurde formal aufgenommen, ohne Hinweis auf Videomaterial, eine ungenügende Beschreibung, bei der ich sogar darauf bestehen musste, dass die EHU, für die der Beamte im Einsatz war, mit aufgeführt wurde. Das hat mich jedenfalls stark an eine Fahrraddiebstahlsanzeige erinnert.
Dass normale KV-Delikte relativ gute Aufklärungsquoten (um die 90%) haben, weiß ich auch. Das heißt aber noch lange nicht, dass das Verfahren gegen den Täter nicht eingestellt wird, was in der Regel aber der Fall ist (und das meinte ich mit meinem Vergleich).
Richtig, aber diese Verfahren werden meistens wegen Geringfügigkeit eingestellt. Das heißt der Tathergang wurde ermittelt, allerdings ist der Sachwert, um den es geht, als geringfügig einzuschätzen. Eine Anzeige wegen KV kann ich bei einer normalen Ohrfeige stellen, diese wird aber von jedem Staatsanwalt abgebügelt nach §153 I StPO. Bei KV im Amt ist es allerdings etwas anderes. Von einem Amtsträger (Polizisten) eine Ohrfeige zu bekommen ist ein völlig anderer Umstand (deshalb auch strafrechtliche Trennung von KV, schwerer KV, gefährlicher KV, KV mit Todesfolge UND KV im Amt), hier liegt garantiert keine Geringfügigkeit vor. Deshalb schlussfolgere ich, dass die hohe Anzahl an Einstellungen nicht am 153er liegt, sondern eben daran, dass die Tatumstände nicht ermittelt werden konnten.
Was du an meinem zweiten Zitat zu bemäkeln hast, weiß ich nicht. "Opfer" gerechtfertigter Gewalt zeigt an => Strafanzeige muss aufgenommen werden (= Eröffnung Strafverfahren) => Ermittlungen => Vorlage an StA => Einstellung nach 170 (2). Beschreibst du doch selbst so. In der anfangs genannten Statistik ergibt das Ganze dann ein Strafermittlungsverfahren plus eine Einstellung.
Ich drücke mich nicht deutlich genug aus, das habe ich beim Lesen auch gemerkt. Ich hatte die Erklärung dazu im Beitrag schon vorher geschrieben und wollte nicht das Gleiche nochmal schreiben. Gründe für die Einstellung nach 170 II sind allgemein formuliert: 1. Täter nicht ermittelbar. 2. Beweismittel reichen nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu einer Verurteilung aus. So, bei 4522 Anzeigen gehe ich von einer großen Zahl von unberechtigten Anzeigen aus, da viele Personen den Gewalteinsatz der Polizei für ungerechtfertigt halten, wenn er juristisch jedoch zu rechtfertigen war, meinetwegen gibt es auch ein paar böswillig Verkennende. Wir sprechen hier aber von 92% der Anzeigen, die durch völlig im Nichts enden. Dabei muss man berücksichtigen, dass eine Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit quasi ausgeschlossen ist (siehe oben).
Wir bleiben also wirklich bei ca. 90% Strafanzeigen und so groß ist die Anzahl der böswilligen Fehlanzeigen nie und nimmer. Das heißt ein großer Anteil dieser Einstellungen läuft auf die Unermittelbarkeit der Vorwürfe zurück, was mir, angesichts der großflächigen Videoüberwachung bei Demos und der besonderen Beobachtung bei Polizeizugriffen erhebliche Bauchschmerzen bereitet! Und da schließt sich immernoch meine Frage an: Ich nehme mal an, du bist ein Amtsträger, vermutlich sogar im Polizeidienst. Was spricht argumentativ gegen eine Dienstnummer-Kennzeichnung von Beamten im Einsatz? Selbst die in meinen Augen sehr radikale DPolG tut sich da schwer mit Argumenten.
Zu den internen Ermittlungen: die Kirche ist eine Religionsgemeinschaft, kein Teil der Exekutive. Warum sollte sie dann auch Aufgaben der Exekutive übernehmen, völlig berechtigt die Kritik.
Ich finde auch, dass die Kritik bezüglich der Kirche gerechtfertigt ist. Für die Polizei gilt aber, teil der Exekutive zu sein, ist doch keine Rechtfertigung dafür Ermittlungen innerhalb dieses Organs selbst vorzunehmen. Es ist richtig, dass die Ermittlungsarbeit Aufgabe der Polizei ist, aber es täte doch auch der eigenen Glaubwürdigkeit gut, polizeiinterne Ermittlungen auszulagern. Ob es dort Konflikte gibt, kann ich nicht beurteilen. Du beschreibst ja, dass die interne Ermittlung durchaus ernst genommen wird in deinem Fall. Das mag sein, aber verstehst du wenigstens die Bedenken, die man als Außenstehender dabei verspürt, wenn Polizisten gegen Polizisten ermitteln sollen? Mal 2 Fälle, die zwei Seiten einer Medaille zeigen:
1.
http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/polizist-verpfeift-polizist/ . Hier hat es gut funktioniert.
2. "Berliner Prügelzivi" Rouven K. Ab 30 Sekunden im Bild zu sehen, sehr eindrucksvoll sogar, zweifelsfrei zu identifizieren:
http://www.youtube.com/watch?v=275QagrxZ-UGegen ihn gab es ein Verfahren, das eingestellt wurde. Keiner der umstehenden Polizisten hat etwas gesehen oder gehört. Zeugenaussagen wurden von der Polizei als unzuverlässig eingestuft.
Und dann noch den hier:
http://www.youtube.com/watch?v=gjpn9Mn1DD0 genau Minute 5. Die brutale Sitzblockade, gegen die man sich sachgemäß verteidigt. Man konnte die Einheit identifizieren (ist ja auch nicht schwer), aber natürlich haben sich alle Beamten dieser Einheit gegenseitig gedeckt. Das ist der beschriebene Korpsgeist. Da können selbst engagiert Ermittler nichts mehr machen, die Leute sind nicht zu identifizieren. Alle sind sie davon gekommen, keiner hat irgendwelche Konsequenzen abbekommen. Geht ja auch nicht, Kollektivschuld ist ja nicht zulässig. Zumindest nicht bei Polizisten, bei Demonstranten sieht das manchmal anders aus, aber lassen wir das. Eine Dienstnummer-Kennzeichnungspflicht hätte die ganze Sache restlos aufgeklärt, 15 schwarze Schafe weniger in der Reihen der Polizei und damit eine größeres Vertrauensverhältnis.
Also lächle darüber, wenn du eigene Erfahrungen gemacht hast, die so sind, wie sie sein sollten. Es gibt aber auch nicht wenige Gegenbeispiele, die aufzeigen, dass das System überhaupt nicht funktioniert. Jeder macht da seine eigene Erfahrung.
Moment, in Sachen Grundschuld unterstellst du mir so nicht getätigte Aussagen bzw Interpretationen derselbigen; wer jetzt Schuld an den Randalen im Fußball hat, kann man nur schwer sagen. Ob jetzt die Gesellschaft, die stumme Masse, die nichts gegen die eigenen Reihen tut, die Elternhäuser, die Vorbilder aus dem Ausland, die Videospiele oder was weiß ich was...aber die Polizei ist es bestimmt nicht.
Wer Schuld ist, kann niemand feststellen. Ich war auch äußerst selten bei Fußballspielen und weiß nicht, wie die Polizei dort in der Regel auftritt. Kleine Anekdote aus den USA: Football ist ein ziemlich gewalttätiger Sport, mit haufenweise Emotionen. Dabei gibt es Rivalitäten, sogar zwischen Universitätsmannschaften, die eine lange und sehr sehr leidenschaftliche Geschichte haben. Wenn man zu einem Footballspiel geht, sieht man maximal 20 Cops den ganzen Tag. Die sind nicht gepanzert, haben keine Helme auf oder was auch immer. Ich habe in 20 Jahren von keinen Hooliganausschreitungen bei Footballspielen gehört. Die Frage, ob das an weniger Polizeipräsenz liegt oder ob die Polizeipräsenz deshalb so niedrig ist, weil die Fankultur dort eher auf den Genuss des Sports ausgelegt ist, gleicht der Frage wer zuerst da war, das Huhn oder das Ei. Ich weiß es auch nicht. Ich kann nur eins sagen: ich wollte mir mal ein Spiel von Union Berlin anschauen. Nachdem ich gepanzerte und säbelrasselnde Beamten aus der 22. EHU gesehen habe, verging mir die Lust. Es gab ein kleineres Fan-Fest mit Bier und Bratwurst alles friedlich, da marschierte schon so ein kleiner Zug von kriegsgerüsteten Beamten durch und schubste Leute beiseite die ihnen nicht sofort aus dem Weg gingen, auch Frauen. Da flogen die ersten leeren Becher, nicht etwa auf Fans des anderen Teams, nein die standen dort mitten im Fan-Fest und tranken mit den Union Fans. Die Becher flogen auf die Leute in Schwarz. Das ist ein Teil der Realität. Es wäre naiv zu sagen, dass die Polizei Schuld ist, das ist wahrlich nicht der Fall. Ich war auf Demos, da hat sich die Polizei vorbildlich verhalten und trotzdem flogen Steine und Flaschen. Aber manchmal legen die Herren und Damen in Grün/Schwarz so ein arrogantes und aggressives Verhalten an den Tag, dass sie die Stimmung künstlich anstacheln.
EDIT: Nachtrag. Mir ist gerade eine Schlägerei von 60 Leuten 1997 in Philadelphia im alten Veterans Stadium eingefallen. Das war etwas größer als die Rauferei der HSV-Anhänger wegen des Hoffmann-Plakats am Ende der Saison.