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Autor Thema: Ein Martyrium in Wales - Merthyr Tydfil F.C.  (Gelesen 1247 mal)

KingOfHearts

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Ein Martyrium in Wales - Merthyr Tydfil F.C.
« am: 24.März 2010, 15:03:52 »

Lange Zeit war ich abgeschrieben. Abgeschrieben vom Fußball. Ich. Ausgerechnet ich. Derjenige, der mit 17 Jahren sein Debüt bei Sheffield Wednesday gab und als eins der 'größten Talente' im englischen Fußball galt. Obwohl sich der Verein selbst immer am falschen Ende der Premier League, spielte ich mich in die Herzen der Menschen und in die Notizblöcke der großen Clubs der Welt. Doch es kam, wie es kommen musste: Beim 3-1 Heimsieg gegen West Ham am 11. März 2000 zog ich mir einen Kreuzbandriss zu und fiel lange aus. Wednesday stieg letztendlich ab. Mit 21 Jahren so schwer verletzt zu sein, das ist nicht leicht. Pünktlich zum Steel City Derby gegen United am 1. November 2000 im Worthington Cup war ich wieder fit, und wir gewannen prompt mit 2-1. Doch der Riss der Achillessehne führte im Dezember 2000 zu einer weiteren Zwangspause, die mich daran hinderte, an meiner Karriere zu arbeiten. Der negative Höhepunkt war in dieser Saison, dass mein Vertrag nicht verlängert wurde, ich sei 'nicht fit genug' für den Profi-Fußball.
Ich wechselte zu Brighton & Hove Albion in die dritte Liga und zeigte in einer verletzungsfreien Saison, was ich drauf habe: In 42 Spielen konnte ich 33 Tore erzielen und Brighton wurde Meister in der dritten Liga und stieg somit auf! Der Himmel war wieder voller Geigen, ich hatte Angebote aus der Premier League vorliegen, aber ich wollte noch ein Jahr bei Brighton bleiben und dem Verein zum Klassenerhalt verhelfen. Doch es sollte nicht sein: Als 23. stiegen wir direkt wieder ab, und das Schlimme: Sheffield Wednesday stieg mit uns in die dritte Liga ab, unvorstellbar! Doch ich blieb in der zweiten Liga, Norwich City nahm mich unter Vertrag. Und mein Wechsel sollte sich lohnen, denn wir stiegen direkt in die Premier League auf! Nach vier Jahren Abstinenz war ich wieder in der Bel-Etage des englischen Fußballs angelangt! Aber die Freude sollte nicht lange anhalten: Am 5. Spieltag riss wieder das Kreuzband - die Sportinvalidität war ein ganz großes Thema geworden, von dem ich aber nichts mehr hören wollte. Ich wollte mich wieder herankämpfen, aber es wurde nichts mehr: 2005 war ich mit 27 Jahren Invalide, die Karriere war beendet.

Leider hat es zum großen Geld nie gereicht, also musste ich wieder Geld verdienen. Aber Fußball war wie eine Droge für mich, mir war klar, dass ich dem Sport erhalten bleiben möchte. Die Trainer-Lizenz wurde angepeilt und letztendlich auch geschafft. Viele Gespräche mit vielen Trainern und erfahrenen Experten wurden geführt, mein Horizont musste erweitert werden. Ich musste in diesem Geschäft überleben, denn ohne Schulabschluss wird es draußen nicht sehr einfach mit einem guten Job. Mein erster Job war ein Assistenztrainer-Posten bei Crewe Alexandra in der League One. Am 1. Januar 2008 begann ich dort meinen Dienst, wo schon Spieler wie Dean Ashton, David Platt spielten und der große Dario Gradi ewige Zeiten das Zepter in der Hand hielt. Doch im April 2009 verließ ich den Verein, die Zahlungsmoral war nicht mehr so gegeben wie zu Beginn meiner Zeit bei Crewe. Ich hatte auch das Gefühl, für eine eigene Trainerstelle jetzt bereit sein. Ich hatte keine Lust mehr, irgendwelche Sachen zu machen, die sonst kein anderer machen möchte auf dem Trainingsplatz.

Irgendwie hatte drei Monate lang kein Verein davon gewusst, dass ich auf dem Markt bin, sonst hätten sich sicher einige gemeldet. Langsam kamen erste Selbstweifel auf, als ich tatsächlich einen Job angeboten kam. Als Trainer. Meine Bestimmung. Einziger Minuspunkt: Viel tiefer könnte man nicht mehr fallen mit diesem Verein...
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KingOfHearts

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Re: Ein Martyrium in Wales - Merthyr Tydfil F.C.
« Antwort #1 am: 24.März 2010, 15:28:44 »


Merthyr Tydfil Football Club - für manche vielleicht ein vor unlösbare Aufgaben stellender Zungenbrecher. Nur die absoluten Hardcore-Experten im Fußball und die Menschen aus Merthyr Tydfil (und selbst dort nicht alle) können wohl etwas mit diesem Verein etwas anfangen. Aber wie man im Vereinsemblem bereits sehen kann, wird hier noch geglaubt. Geglaubt an die Vergangenheit und an die Zukunft. Dafür bin ich jetzt zuständig. Ich bin kein großer Freund von Glauben, ich glaube lediglich an Resultate und Frauen.

MTFC (sieht professionell aus und vermeidet panische Zustände, den Namen dieses Vereins richtig zu schreiben) ist ein walisischer Verein, der 1945 gegründet wurde. In der Anfangszeit konnte man zwischen 1948 und 1954 fünfmal die Southern League gewinnen. Trotz dieser Erfolge wurde dem Verein der Zugang zum Football League System verwehrt. Im FA Cup konnte bisher fünfmal die zweite Hauptrunde erreicht werden, dagegen war man im walisischen Pokal weitaus erfolgreicher: Dieser konnte dreimal gewonnen werden. (1949, 1951, 1987) Der letzte Pokalsieg berechtigte zur Teilnahme am Europapokal der Pokalsieger. Als walisischer Verein stehen dort die Siegchancen traditionell etwas schlecht, aber man konnte für Furore sorgen: Das Hinspiel konnte gegen den italienischen Vertreter Atalanta Bergamo mit 2-1 gewonnen werden. Im Rückspiel unterlag man allerdings mit 0-2 und schied aus. Trotzdem eine beachtliche Leistung.

1989 stieg man erstmals in die Conference (5. Liga) auf. Dort hielt man sich bis 1995, seitdem spielt man wieder in einer für den Club bekannten Liga, der Southern League. Finanzielle Probleme trieben den Verein in die Insolvenz, der Verein steht seit Juni 2009 unter Zwangsverwaltung und wird demnach die kommende Saison mit -10 Punkten starten. Sonst hätte ich den Job wahrscheinlich auch gar nicht gekriegt.

Abstiegskampf von Beginn an in der siebten englischen Liga, hurra! ...
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Pneu

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Re: Ein Martyrium in Wales - Merthyr Tydfil F.C.
« Antwort #2 am: 24.März 2010, 15:47:39 »

Hi, ich hab gesehn das du 2008 eine Story angefangen hast und dann nie mehr einen Beitrag verfasst hast. Und jetzt tauchst du auf einmal mit einer neuen Story auf. Wo warst du die ganze Zeit??? :) Viel Glück in Wales!!!!!
Mfg Pneu
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KingOfHearts

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Re: Ein Martyrium in Wales - Merthyr Tydfil F.C.
« Antwort #3 am: 25.März 2010, 12:20:41 »

@Pneu: Fehlende Motivation, habe dann den FM 09 ausgelassen und das Ganze aus den Augen verloren. Habe mir vor ein paar Wochen dann den FM 10 günstig besorgt und bin seitdem wieder am spielen. Ich bin zuversichtlich, dass diese Story lange leben wird  ;)

Kurz bevor ich im etwas kalt wirkenden Büro von Kirk Randall, seines Zeichens Präsident von MTFC, meinen vereinbarten Zwei-Jahres-Vertrag unterzeichne und dabei ein Wahnsinnsgehalt von 275 Pfund in der Woche einstreiche, schaue ich noch kurz am Stadion vorbei. Der Penydarren Park ist seit Alters her die Spielstätte meiner Mannschaft, und das Stadion ist höchst wahrscheinlich noch das Beste an dem ganzen Verein. Wenn alle Stricke reißen, passen hier tatsächlich bis zu 10.000 Menschen rein. Die Stricke hier in der walisischen Idylle sind aber ziemlich stabil, in den letzten Jahren sind wahrscheinlich noch keine 10.000 Menschen zusammengerechnet gekommen. Aber wer weiß, ob sich das irgendwann mal ändern wird, dafür bin ich ja da.

Ich bin heilfroh, dass mir im Vertrag Kosten und Logie aufgeboten und übernommen werden. Das heißt, irgendwann in 12 Jahren kann ich mir bei jetzigem Vertrag mal ein anständiges Auto kaufen. Nein, ernsthaft: Mit der Kolumne, die ich noch monatlich beim Merthyr Herald habe, komme ich im Monat auf ungefähr 1300 Pfund. Für walisische Verhältnisse sollte das reichen. Es ist bezeichnend, wenn ich sage, dass meine private finanzielle Situation besser ist als die des Vereins: 45.000 Pfund sind noch auf dem Konto des Vereins zu finden. Allerdings dürfen wir ab 1. August dem britischen Staat den Kredit zurückzahlen, der monatlich 26.000 Pfund in Anspruch nehmen wird. Und einen Goldesel habe ich hier noch nicht gefunden. Es wird abenteuerlich, den Verein überhaupt am Leben zu erhalten, geschweige denn nach vorne zu führen.

In der Vorbereitung haben wir hauptsächlich Heimspiele, um die Kriegskasse minimal aufzubessern. Aus mir unverständlichen Gründen haben Real Madrid, Barcelona oder Manchester United kein besonderes Interesse daran, eine Stippvisite im Penydarren Park abzuhalten. Stattdessen besuchen uns wohlklingende und weltbekannte Vereine wie Exeter City, Kidderminster Harriers oder Forest Green Rovers. Nobel geht die Welt zu Grunde...
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matze616

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Re: Ein Martyrium in Wales - Merthyr Tydfil F.C.
« Antwort #4 am: 25.März 2010, 12:56:40 »

Finde deine Story echt interessant, werde auf jedenfall mitlesen.
Hoffe du kannst den Verein irgendwie am leben erhalten, notfalls musst halt was von deinem Privatkonto einzahlen ;D
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