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Autor Thema: Kispest - Der alte Glanz der Aranycsapat  (Gelesen 3535 mal)

Paul_13

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Kispest - Der alte Glanz der Aranycsapat
« am: 31.Dezember 2009, 02:56:19 »

Sonntag, 17.Mai

Fussballmuseum der Wiener Austria im Franz-Horr-Stadion



Einen Tag vor der offiziellen Eröfnung des Austria Museums, dem ersten Fussball Museum in Österreich, haben sich an diesem Sonntag 3 Experten eingefunden, die vor einem kleinen Auditorium über die Bedeutung der Wiener Schule und die Entwicklung des kontinentalen Fussballs diskutieren.



Zum einen haben wir da den Chef-Historiker der Wiener Austria und Museumskurator Dr. Erich Krenslehner, ein sehr gebildeter Herr im besten Alter, dessen Fussballbegeisterung und -wissen als Archivar mit der weltweit umfangreichsten Sammlung zum „Wunderteam“ hinlänglich belegt ist.
Ohne Frage ein Experte auf dem Gebiet der Fussballgeschichte, fehlt ihm doch etwas das Verständnis für die Arbeit eines Trainers.

Neben ihm sitzt Tibor Nyilasi, ein früherer Spieler der Austria der in Budapest geboren ist und für Ungarn in 70 Spielen 32 Tore schoss. Er war Teil der Austria-Mannschaft die Mitte der 80er 3mal in Folge Meister wurde. Torschützenkönig in Ungarn und Österreich. Als Trainer war er in den 90ern zweimal für seinen Heimatverein Ferencvaros tätig, wurde Meister und dreimal Pokalsieger. Ein Mann der den Fussball im Donauraum sehr gut kennt!
Und der 3.Experte?

Das bin ich – Paul Treize, geboren in Berlin, Sohn eines Franzosen, als Jugendtrainer in Deutschland und Holland tätig und nach Stationen in Italien, Frankreich und Skandinavien mittlerweile mehrfacher Meistertrainer in Europa.
Aktuell bin ich zwar ohne Traineramt, aber das bringt mich zumindest in die Lage meine Studien über die taktischen Entwicklungen des 20.Jahrhunderts zu vertiefen. Und wo wäre dies besser möglich als in Wien, der Wiege des zentraleuropäischen Fussballs?


Aber lassen wir zunächst den Museumskurator zu Wort kommen:


Dr. K: … schauen wir uns die Umstände an, die in den 20er Jahren zum Aufstieg des österreichischen Fussballs geführt haben. Nach dem 1.WK und dem Zerfall des Habsburger Reichs, war Wien trotzallem noch immer eine der pulsierendsten und aufregendsten Städte der Welt. Nicht nur in Medizin und Musik sprach man bald von einer „Wiener Schule“ - denn gerade für Fussball interessierte sich die Masse der Bevölkerung. 1920 gab es bereits 182 Vereine mit 37.000 Spielern und sonntags machten sich bis zu 300.000 Wiener auf dem Weg um ein Spiel ihrer Mannschaft zu erleben!  Das Spiel zwischen Rapid und dem Sportclub fand 1922 vor 40.000 Zuschauern, das Länderspiel gegen Italien im selben Jahr gar vor 100.000 Zuschauern statt! Die außergewöhnliche Dynamik des österreichischen – und das war damals halt gleichbedeutend mit dem Wiener – Fussballs führte zwangsläufig zur Einführung des Profitums und einer professionellen Liga ab 1924, der ersten dieser Art auf dem Kontinent! Unter diesen sehr guten Rahmenbedingungen konnte sich eine Spielkultur auf höchsten Niveau etablieren, die zurecht als Scheiberl-Spiel und Wiener Schule berühmt wurde. Die Spieler, die später in der als Wunderteam bezeichneten Nationalmannschaft auf dem Fussballplatz, wie auch auf dem diplomatischen Parkett, international das Ansehen Österreichs mehrten, wurden zum großen Teil in Wien von zwei Männern entscheidend ausgebildet: Hugo Meisl und Jimmy Hogan!

Paul: Nun Meisl dürfte hier in Wien noch recht bekannt sein. Durch sein Wirken als Funktionär und Schiedsrichter in Österreich und international für die FIFA, sowie natürlich durch seine Aufgaben bei der Austria und als Verbandskapitän, hat Hugo Meisl wohl wie kein anderer den Fussball in diesem Land vorangebracht. Doch bedeutend ist für mich weniger seine Arbeit als Trainer, als vielmehr sein europäisches Denken und Vernetzen. Denn bereits 1912 kam es ja zur Begegnung zwischen ihm und dem Iren Jimmy Hogan. Und eben dieser Hogan hat mit der Unterstützung Meisl's so unglaublich viel für die Entwicklung des Fussballs in Mitteleuropa getan, das es eine Schande ist, wie wenig Ehrung er erfährt.

Nyilasi: Ja, auch in Ungarn haben wir ihm viel zu verdanken, denn während des 1.WKs gelang es dem Vize-Präsidenten von MTK ihn nach Budapest zu holen, dem Verein in dem Béla Guttmann später spielte. Der erinnerte sich noch später an Jimmy Hogan mit den Worten, „er brachte uns alles bei, was wir über Fussball wissen“! Und Guttmann gehört zur gleichen Generation wie Márton Bukovi und Gusztáv Sebes – also die Väter der Aranycsapat.

Dr. K: Doch bevor das Goldene Team der Ungarn anfang der 50er den europäischen Fussball dominierte, war das österreichische Wunderteam um Matthias Sindelar stilbildend für den kontinentalen Fussball. Als Gegenentwurf zur damals vorherrschenden englischen Spielweise, passte das von Meisl und Hogan gelehrte flache Kurzpassspiel besser zu den technisch versiehrten Spielern aus Wien.

Paul: Es sollte aber nicht vergessen werden, das sowohl Hogan als auch die Wiener Spieler erst langsam zu dieser Spielweise kamen. Hogan hat in seiner kurzen Zeit in Holland ab 1910 den kontinentalen Fussball kennengelernt und verstand schnell die Unterschiede zwischen der englischen Art des Spiels und der europäischen. So vermischte er in seiner Trainerlaufbahn die Grundzüge des schottischen Kurzpassspiels, das bereits anfang des 19.Jahrhunderts  viele Tempo- und Positionswechsel kannte, mit der ballverliebten Spielweise im Donauraum. Und genau hier in Wien hatte er mit Meisl als Manager des Fussballs, der überallhin Verbindungen pflegte, und einem Spieler wie Matthias Sindelar, die Vorraussetzungen um eine Mannschaft zu formen, die dem Spiel etwas komplett Neues hinzufügte. 

Nyilasi: Sie sprechen dabei die Rolle Sindelars als zurückgezogener zentraler Mittelfeldspieler an, so wie es bei den Ungarn später Palotas und dann vor allem Hidegkuti gespielt hat.

Paul: Genau. Wenn man sich die taktische Entwicklung anschaut, angefangen Ende des 19.Jahrhunderts in Großbritannien bis zur WM 1958 in Schweden, so wurden aus der ursprünglichen, wilden Sturmreihe von 7 oder 8 Spielern, sukzessive Außen- und Mittelstürmer nach hinten gezogen. Auf der Insel entwickelte sich das 2-3-5 System, was teilweise bis in die 50er und 60er Jahre bestand hatte. Aus unserer heutigen Sicht eigentlich kaum nachzuvollziehen, aber damals haben die Mannschaft über Jahrzehnte mit der gleichen Taktik gespielt.

Dr. K: Wobei man schon darauf hinweisen muss, das es damals nicht möglich war, sich über die Spiele und taktische Veränderungen so schnell auszutauschen und zu informieren, wie das heute im Zeitalter des Internets möglich ist...

Paul: Das ist klar, aber lassen sie mich bitte ausreden, denn der Punkt ist nicht, das Veränderungen im Spiel nicht kommuniziert wurden – es gab schlichtweg so gut wie keine! Seit man in den 1870er und 1880er Jahren den Vorteil eines spielbestimmenden zentralen Mittelläufers erkannte, der ursprünglich ein zweiter Mittelstürmer war, gab es erst nach 1925 eine Änderung des Systems.
Und während um die Jahrhundertwende das Spiel durch britische Kaufleute in die gesamte Welt gebracht wurde, adoptierten die Mannschaften auf dem Kontinent auch gleich die britische Spielweise.

 
Nyilasi: Nun, gerade hier im Donauraum waren die Spieler nicht so an die britische Lebensart angepasst, sondern entwickelten mehr und mehr eine eigene Spielweise. Das muss auch Jimmy Hogan schnell aufgefallen sein, dass die europäischen Spieler, im Gegensatz zu den britischen, sehr viel wissbegieriger waren und an einen Fussballtrainer hohe Anforderungen stellte. Die britischen Spieler dagegen sahen die Notwendigkeit eines Trainer nicht in gleichem Maße, meistens  war dort der Kapitän für Training und Aufstellung mitverantwortlich. Zudem war das Training mit dem Ball auf dem Kontinent eine Selbstverständlichkeit. Auf der Insel lag der Schwerpunkt auf Kondition und Kraft, der Ball wurde den Spielern bis zum nächsten Sonntag vorenthalten, damit sie im Spiel auch hungrig genug auf ihn waren.

Paul: Eine wirklich sehr naive Denkweise, die in Zentraleuropa wenig Nachahmer fand. Und genau dafür muss man Jimmy Hogan und Hugo Meisl dankbar sein – sie haben nicht nur verstanden wie das Spiel hier gespielt werden soll, sie haben es auch geschafft den Spielern diese Spielweise mittels neuer Trainingsformen beizubringen!

Dr. K: Und, wenn ich das einfügen darf,  trainiert hat Jimmy Hogan zwischen 1910 und den Olympischen Spielen 1936 sehr viele Spieler. Nicht nur hier in Wien, wo er das Training von vielen Vereinen leitete und die Olympiaauswahl mehrmals betreute. Auch, wie schon angesprochen in Ungarn, beim MTK in Budapest. Später bei Redstar Paris in Frankreich. Sowie in Deutschland, wo er beim Dresdner SC den späteren Assistenten Herbergers und Nationaltrainer Helmut Schön in seiner Mannschaft hatte. Selbst das Schalker Kreisl Spiel, dem Wiener-Scheiberl nicht unähnlich wenn auch nicht so zielgerichtet, wurde durch den von Hogan trainierten Wiener Gustav Wieser mit geprägt.

Nyilasi: Das ist auch ein Punkt, dem man Hogan gutschreiben muss: Er hat seine Art des Fussballspiels nicht allein aufgrund der Schönheit entwickelt. Natürlich war es für ihn wichtig auf Kurzpassspiel und viele Bewegungen, auch ohne Ball, zu setzen – aber er war, anders als Meisl, kein Romantiker und Verklärer von hohen Ballbesitz, sondern sah darin ganz einfach die erfolgversprechendste Art Fussball zu spielen. Endlose Ballstaffetten, nur um dem Publikum zu zeigen wozu man in der Lage war, so wie man es auf Schalke bewundern konnte, waren nicht in seinem Interesse. Am Ende musste aus dem Ballbesitz auch ein Tor resultieren – denn darum geht’s am Ende nunmal beim Fussball.

Paul: Nun, kommen wir zum entscheidenden Punkt in der Entwicklung moderne Taktiken im Fussball zurück. Die Änderung in der Abseitsregel 1925, das nur noch 2 statt 3 gegnerische Spieler zwischen Tor und dem Stürmer sein mussten, um diesen regelkonform anzuspielen, veränderte das Spiel völlig. Im 2-3-5 System war es für die 2 Abwehrspieler einfach, den gegnerischen Mittelstürmer abseits zu stellen. Ein Verteidiger blieb beim Stürmer, der andere rückte bei den üblichen langen Bällen ein Schritt vor – Abseits! Mit der neuen Regelung aber war dies so nicht mehr möglich, denn man riskierte sehr leicht eine 1 gegen 1 Situation zwischen Stürmer und Torwart. Die Lösungen die für diese neue Herausforderung gefunden wurden, waren wiedermal auf der Insel und dem Kontinent sehr unterschiedlich.

Dr. K: Man sollte vielleicht kurz den Grund für diese Änderung nennen. Denn in den Jahren davor wurde Fussball auf der Insel, und die britische FA war ja nunmal für die Regeln verantwortlich, immer langweiliger. Es fielen weniger Tore, im Schnitt nur noch 2.6. Für damalige Verhältnisse unglaublich wenig, aber heute ist das wieder ein gängiger Wert in den Ligen. Und das Spiel wurde immer noch von langen Bällen und Dribblings die Linie lang geprägt. In der Saison nach der Regeländerung gab es eine richtige Torflut, 3.7 im Schnitt, denn die Stürmer hatten nun viel mehr Räume in die sie vorstoßen konnten und die Verteidiger hatten sich an die neuen Spielweise noch nicht angepasst. Ohne Frage kommt der Regeländerung eine hohe Bedeutung zu, für viele Trainer und Fussballliebhaber entwickelte sich ab dann aber eine sehr negative Spielweise, die zunächst das Verteidigen und nicht Tore schießen in den Vordergrund stellte.

Paul: Da ist sicherlich etwas dran, doch wie schon gesagt, gab es zwei ganz unterschiedliche Entwicklungen darauf. In London entwickelte Herbert Chapmann bei Arsenal das W-M-System. Dadurch das er aus dem 2-3-5 System den zentralen Mittelläufer in die Abwehr zog, hatte er hinten eine 3er-Kette. Das allein war aber noch nicht genug, denn er verstand auch das er auch auf der anderen Seite des Platzes etwas verändern musste und zog die beiden Innenstürmer nach hinten, so dass es ein 3-2-2-3 ergab. Durch die neue Abseitsregel wurde das Spiel mehr in die Länge gezogen und die Aufteilung in 4 Linien war eine direkte Folge von Chapmann darauf. Aber jede Taktik ist zunächst einmal neutral, es kommt auf die Spielweise auf dem Platz an. Und dort fand Chapmann mit dem Konterspiel aus einer tief in die eigenen Hälfte zurückgezogenen Abwehr, die effektivste Antwort. Doch auch erst mit der Verpflichtung des Schotten Alex James von Preston, ein sehr intelligenter Spieler mit dem Auge für die freien Raum, kam der große Erfolg. Ein typischer Spielzug sah damals so aus, das Arsenal am eigenen Strafraum den Ball eroberte und ihn über James sehr schnell nach vorne spielte, wo meistens Cliff Bastin als linker Außenstürmer die Tore machte. Oder aber James selbst, wie im wegweisenden FA-Cup Finale 1930 gegen Chapmanns alten Verein Huddersfield. Damit begann für Arsenal die Zeit der großen Erfolge...

Nyilasi: Das W-M System von Herbert Chapmann wurde bekanntlich in der gesamten Fussballwelt oft kopiert, da es aber nicht immer die nötigen Spieler wie bei Arsenal gab, auch selten in dieser Perfektion erreicht. Für mich persönlich die bessere Antwort fand aber Hugo Meisl, der auch mit Chapmann gut befreundet war, und Jimmy Hogan. Sie hatten nicht diese typischen kopfballstarken Mittelstürmer, die man wie in England mit langen, hohen Bällen füttern konnte, zur Verfügung. Stattdessen einen Spieler wie Sindelar, der aus seiner Rolle als Mittelstürmer zurückgezogen wurde und dann hinter einer 4er Sturmreihe spielte.

Dr. K: Der Papierne aus Favoriten... wir haben ihm hier im Museum selbstverständlich einen extra Platz eingeräumt. Er hat das österreichische Wunderteam geprägt und mit seiner eleganten, technisch hochfeinen Art, auf dem Platz immer herausgeragt. Aber auch abseits davon war er ein sehr feiner Mensch, der zum einen in der guten Gesellschaft umgang fand, wie auch stets bei Nöten für Freunde einstand. Die Austria und der österreichische Fussball insgesamt hat ihm viel zu verdanken!

Nyilasi: Das interessanteste an Sindelar für mich, ist aber die Entwicklung der Taktik, die mit ihm begann. Denn Meisl und Hogan haben, wie schon gesagt, nicht nur den Fussball in Wien beeinflusst, sondern in der Zeit auch viele ungarische Spieler und Trainer. Und damit auch den Aufstieg der ungarischen Nationalmannschaft entscheidend geprägt. Als beim MTK 1948 der Mittelstürmer Norbert Höfling zu Lazio Rom verkauft wurde, stand Trainer Márton Bukovi nämlich vor einem Problem. Bisher hatte er mit Höfling einen typischen englischen Mittelstürmer gehabt und das W-M-System gespielt. Anstatt nun einfach einen ähnlichen Spieler zu suchen, denn die waren in Ungarn selten, passte er aber die Taktik an sein verfügbares Spielermaterial an – für mich sowieso stets ein Zeugnis eines guten Trainers. Er drehte das W einfach um, so dass es quasi ein M-M wurde. Und mit Peter Palotas hatte er den idealen Spieler dafür in seinen eigenen Reihen. Kein guter Torschütze, dafür mit einem sehr guten Passspiel, Spielintelligenz und Ruhe am Ball ausgestattet, zog er ihn, ähnlich wie Sindelar, weiter ins Mittelfeld zurück. Während der frühere Mittelstürmer nun also als Spielmacher im zentralen Mittelfeld vor zwei defensiven Läufer und drei Verteidigern spielte, wurden die Außen wieder weiter nach vorne geschoben, so das es ein 3-3-4 ergab. 

Paul: Und dann hat Sebes Nandor Hidegkuti auf Palotas Position spielen lassen...

Nyilasi: Stimmt, nach dem Olympia-Sieg 1952 gab es ein Freundschaftsspiel gegen die Schweiz. Hidegkuti, sonst als Außenstürmer bei MTK eingesetzt, wurde früher schon von Sebes auf Palotas Position getestet. Aber in diesem Spiel, man lag 0:2 zurück, hat es 'klick gemacht. Trotz seiner mittlerweile 30 Jahren, wurde er noch zum wichtigsten Mann auf dem Spielfeld. Es war die perfekte Rolle für ihn, vor der Abwehr konnte er das Spiel lesen, Pässe in die freien Räume spielen, die gegnerrische Abwehr rauslocken und oft genug auch selbst Tore schießen.

Paul: Damit war es mit dem Positionsverschieben aber nicht getan, denn die beiden defensiven Läufer erhielten ebenfalls neue Aufgaben. Zum einen Bozsik, der Spielmacher von Honved, ordnete sich in der Aranycsapat neben oder etwas hinter Hidegkuti ein. Noch wichtiger war aber die Position von József Zakariás von MTK. Er ließ sich oft soweit zurückfallen, das er als zusätzlicher Verteidiger neben Lóránt auftauchte. Und damit wurde nun wirklich der Grundstein gelegt, für ein Spielsystem das 1958 bei der WM in Schweden die Brasilianer um Pelé in Europa richtig populär machten: 4-2-4 ...



An dieser Stelle blenden wir uns mal aus. Es gibt noch sehr viel mehr zum Thema zu sagen, bpsw. das 4-2-4 in Brasilien sich ebenfalls anfang der 50er entwickelte, aber einen ganz anderen Ansatz verfolgte. Doch auch hier waren die ungarischen Trainer Dori Kürschner und Béla Guttmann entscheidend, aus einer oft zügellosen Spielweise, eine effektive und aufs Tore schießen ausgerichte Taktik zu formen. Ganz so wie sie es von Jimmy Hogan in Wien und Budapest gelernt hatten.

Als Einstieg in diese Story soll diese kleine Runde im Austria-Museum aber erstmal genügen. Mich als Trainer und Fussballfan hat es schon immer interessiert wie sich die Dinge, die man heute als selbstständlich hinnimmt, wie 4er Kette und Abseitsfalle, entwickelten. Denn nur wenn man die Historie kennt und weiß wie etwas entstanden ist, kann man es auch verbessern und weiterentwickeln. Und neue Taktiken und Lösungen für das schönste Spiel der Welt - danach suchen wir doch alle, oder?

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Re: Kispest - Der alte Glanz der Aranycsapat
« Antwort #1 am: 31.Dezember 2009, 03:04:34 »

Sonntag, 1.Juni

Budapest




Nur zwei Wochen nach der Diskussionsrunde in Wien, traf ich Tibor Nyilasi wieder. Diesmal in Budapest, wohin ich seiner Einladung gefolgt war. Ein Wochenende in der schönen Stadt an der Donau und ein wenig Sightseeing  – klar das ich darunter nicht nur Palast und Heldenplatz verstehe. Denn am Nachmittag spielte Nyilasis Verein, Ferencváros TC, gegen die 2.Mannschaft von Debrecen in der  Nemzeti Bajnokság II, der 2.Nationalen Liga Ungarns.

Die Grün-Weißen, gemeinhin als Fradi bezeichnet und mit 28 Titeln Rekordmeister in Ungarn, wurden 2006 wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten aus der 1.Liga ausgeschlossen. Im ersten Jahr scheiterte man am letzten Spieltag, doch in dieser Saison war der Aufstieg bereits anfang Mai perfekt. Ärgster Verfolger war der heutige Gegner, doch das Selbstverständnis von Ferencváros ist ein anderes. Vielmehr will man so schnell wie möglich die 1.Mannschaft von Debrecen wieder vom Thron stoßen. Denn das Team aus dem Osten Ungarns hat mit 4 Double-Siegen in den letzten 5 Jahren die dominante Rolle im ungarischen Fussball übernommen.

Das Albert-Florian Stadion war an diesem Nachmittag gut gefüllt, die Fans freuten sich auf eine große Aufstiegsparty nach dem letzten Heimspiel der Saison.
Doch die Gäste von Debrecen hatten da zunächst etwas dagegen, als der junge Brasilianer  Galvao Leal Vinicius in der 36. Minute mit einem wunderbar vorbereiteten Flachschuss ins rechte Eck zur Führung traf. Aber Ferencváros zeigte auch an diesem Nachmittag das sie zu stark für diese Klasse sind, als  Ferenczi István noch vor der Pause per Kopf ausglich und in der 50.Minute durch einen Handelfmeter den Führungstreffer erzielte.
Für mich als neutralen Zuschauer war das Spiel nicht besonders aufregend, doch da es mein erstes Spiel im ungarischen Fussball war, dem ich beiwohnen durfte, werde ich das auch nicht so schnell vergessen. Kurz vor dem Spielende, wurde Dramane Kamate durch einen herrlichen Steilpass freigespielt und setzte mit dem 3:1 den Schlusspunkt. Die Szenen aber, die darauf folgten, gaben mir einen ersten Eindruck, wie die Fans hier ihr Team unterstützen. Das man nach dem letzten Heimspiel Teile vom Rasen und Spielertrikots ergattern will, kann ich durchaus noch verstehen. Mit welcher Geschwindigkeit und Einsatz die Frans von Fradi aber vorgingen, hat mich schon erschreckt.

Doch für Tibor Nyilasi, der als früherer Stürmerstar im Verein und Nationalmannschaft noch heute viele Hände zu schütteln hat, war dieser Tag ein großes Fest. Diesmal erlebte ich ihn nicht als kompetenten Fussballfachmann, vielmehr zeigte sich ganz der Fradi-Fan, der er wohl immer sein wird. Mit der Ausnahme vielleicht, das er nicht über den Zaun kletterte um ein Stück vom Tornetz zu bekommen...

Durch seine offen Art und dem Status des früheren Torjägers, konnte er mich aber auch mit vielen Persönlichkeiten bekannt machen. So wurde ich auf der später stattfindenden Feier vom Mannschaftskapitän bis zum Vereinvorsitzenden fast allen vorgestellt, die bei Fradi was zu sagen haben oder auch nur annehmen wichtig zu sein. Am besten konnte ich mich allerdings mit Kevin McCabe verständigen – zwischen mir und dem Engländer gab es logischerweise am wenigsten Sprachhürden. McCabe hat Ferencváros 2008 übernommen, aber schon vorher bei seinem Heimatverein Sheffield United lange Jahre als Vorsitzender im Fussballgeschäft mitgewirkt. Neben Ferencváros gehört auch ein chinesicher Verein, sowie die Central Coast Mariners in Australien zu seinem „Portfolio“. Die Zusammenarbeit zwischen den Vereinen, besonders im Falle Ferencváros und Sheffield, bringt allen Seiten Vorteile. Das Trainerteam der Grün-Weißen bspw. wird mittlerweile von Bobby Davison angeführt. Außerdem würde ich behaupten das in keinem anderen europäischen Verein so viele Engländer im Kader stehen. Der frühere Blades Spieler Paul Shaw ist zudem der beste Torjäger.

Mit Kevin McCabe unterhielt ich mich dann ausführlich über die Situation im ungarischen Fussball und wie es zu seinem Einstieg bei Ferencváros kam. Zwar ist er seit Jahren bemüht Sheffield United wieder zu einem englischen Spitzenklub zu formen, doch unter den dortigen Umständen ist das natürlich ein sehr schwieriges Unterfangen. In Ungarn dagegen, reicht es schon mit einigen Millionen pro Saison ein starkes Team aufzustellen und man kann innerhalb von 2 Jahren die Championsleague erreichen. Wie realistisich die Umsetzung der Theorie ist, wollte ich ihn aber nicht fragen. Für McCabe war es aber ein langer Anlauf überhaupt erstmal den Verein übernehmen zu können. Insgesamt hat er 6 Versuche gebraucht, bis seinem Antrag endlich zugestimmt wurde. Im Frühjahr 2008 war das zudem ein sehr günstiger Zeitpunkt, denn Ferencváros war zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte zweitklassig und von früheren Meisterschaften in Serie weit entfernt. Nun, da man im dritten Anlauf die Rückkehr in die 1.Nationale Liga geschafft hat, beginnt für McCabe der zweite Teil seines Plans. Und dabei geht es natürlich um die Meisterschaft und die Championsleague für die man sich 1995 bereits qualifizieren konnte. Ein weiterer wichtiger Baustein in McCabes Plänen ist das Stadion. Allgemein ist der Zustand der Fussball-Infrastruktur bei Ungarns Profivereinen sehr schlecht. Kein Wunder das eine Bewerbung Ungarns für Europameisterschaften zuletzt chancenlos war. Aber es tut sich mittlerweile etwas. Das Albert-Flórián Stadion wurde bereits renoviert und bietet aktuell 18.000 Fans Platz. Ein weiterer Ausbau auf 25.000 soll 2012 fertig gestellt werden. Daneben wird auch das Gelände drum herum und weitere Trainingsplätze von McCabe aufwendig neugestaltet. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Aufbau einer Jugendakademie nach internationalen Maßstab, damit wieder vermehrt gute junge Spieler in die 1.Mannschaft aufrücken.


Als ich ihn danach frage, warum gerade Ungarn, warum Ferencváros, holt er kurz Luft und erklärt mir dann:
„Wenn man die Chance hat Manchester United für 30 Mio $ zu kaufen, wer würde da nicht zu greifen? Nun, Ferencváros ist das Man Utd von Ungarn, mit einem riesigen Fanpotential und einer großartigen Geschichte und jeder Menge Trophäen. Die Möglichkeit die sich uns hier bot, war einmalig und das Risiko um wieder erfolgreich zu sein, ist relativ niedrig. Ich bin kein Fussballnostalgiker, aber ich verstehe den Stellenwert des Vereins in diesem Land. Es gibt wohl keinen anderen Verein in Ungarn der mehr Emotionen hervorruft als Fradi. Was aus Marketinggründen auch nicht unwichtig ist...“





Nein, ein Romantiker ist dieser McCabe sicher nicht, vielmehr jemand der Fussballleidenschaft und Unternehmertum geschickt zu verbinden weiß.
Als ich sehr viel später die Feier verließ und mich von Tibor Nyilasi verabschieden wollte, war der immer noch in absoluter Jubelstimmung und feierte ausgelassenen mit allen anderen zusammen. Es sollte einige Zeit vergehen bis wir uns, unter gänzlich anderen Umständen, wiedersehen würden...

« Letzte Änderung: 31.Dezember 2009, 03:07:58 von Paul_13 »
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Paul_13

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Re: Kispest - Der alte Glanz der Aranycsapat
« Antwort #2 am: 31.Dezember 2009, 03:05:19 »

Montag, 2.Juni

Da ich bisher keinen Sommerurlaub geplant hatte, war die Entscheidung noch ein paar Tage länger in Budapest zu bleiben schnell gefallen. Das nächste rotmarkierte Datum in meinem Terminkalender ist eh erst der 15.Juni, wenn in Schweden die U21-EM beginnt...

So freute ich mich an diesem Montagmorgen auf den für mich traditionell schönsten Teil meines persönlichen Touristenprogramms. Immer wenn ich einige Tage in einer Stadt bin und es meine Zeit erlaubt, schaue ich mir die vorhandenen Fussballplätze und Stadien an. Auch wenn ein Stadienbesuch während eines Fussballspiels und gefüllten Zuschauerrängen natürlich sehr viel faszinierender ist, hat auch ein leeres weites Rund für mich seinen Reiz.

Von meinem zentral gelegenen Hotel war das größte Stadion Ungarns logischerweise mein erstes Ziel:



Das Népstadion (Stadion des Volkes) wurde 2001 zu Ehren Ferenc Puskás umbenannt. Es bietet Platz für fast 69.000 Zuschauern, erlaubt sind heute aber nicht mehr als 44.000. Erbaut wurde es zwischen 1948 und 1953 dank der Hilfe vieler Freiwilliger. Das größte Spiel fand hier ohne Zweifel am 23. Mai 1954 statt. Es war das 'Rückspiel' zwischen England und Ungarn, nachdem im vorhergehenden November das Goldene Team der Ungarn als Erste überhaupt, England in Wembley schlugen (6:3). An diesem Maitag gab es aber keine Revanche, vor über 100.000 Zuschauern sollte es sogar noch schlimmer ausgehen. Anstatt nach der ersten Niederlage die Defensive zu stärken und die Kreise von Hidegkuti einzuengen, rannte England ein zweites Mal ins Verderben und verlor 7:1!

Heute dient es in erster Linie für internationale Spiele der Nationalmannschaft oder von Vereinen deren Stadion nicht den UEFA-Richtlinien entsprechen...

Nur wenige Kilomter entfernt findet man das Stadion von MTK Budapest, das den Namen von Nandor Hidegkuti trägt.



Sicher nicht annähernd so eindrucksvoll, es finden auch nur ca. 12.700 Menschen Platz, sieht man dem Stadion sein Baujahr leicht an. Erbaut 1912 und zuletzt 1947 erneuert, ist das Hidegkuti-Stadion ein Beispiel für die dringend nötigen Investitionen in die Fussball-Infrastruktur in Ungarn. Auf internationaler Ebene herausragend war hier sicherlich die Halbfinal-Partie zwischen MTK und Celtic 1964 im Europokal der Pokalsieger. Nach einer 3:0 Auswärtsniederlage schlug man die Schotten in diesem Stadion mit 4:0 und erreichte das bisher einzige Europapokal-Finale. Wo man allerdings gegen Sporting Lissabon unterlag.
 
Nun machte ich mich auf dem Weg in den XIX. Bezirk Budapests. Im Bezirk Kispest war damals die zweite Hälfte der  Aranycsapat beheimatet. Beim der Armee unterstellten Honvéd spielten Puskás, Bozsik, Kocsis, Czibor, Budai, Lóránt und Torwart Grosics.
1939 wurde an dieser Stelle ein modernes Fussballstadium für 15.000 Zuschauer errichtet Nach dem 2.Weltkrieg wurde es erneuert. Neben einem Dach kamen auch Trainingsplätze hinzu. 1967 wurden Flutlichmasten aufgestellt und neben dem Rasenplatz im Stadion konnte Honvéd auf einem weiteren Rasen und einem Ascheplatz trainieren.
1986 wurde es nochmals erweitert. Neue, stärkere Flutlichter, eine Rasenheizung und ein Hotel und Restaurant wurden gebaut. Außerdem kam es zur Umbennenung, es war das erste Stadion in Ungarn, das nach einem Fussballspieler benannt wurde. Und wer hätte damals besser gepasst, als die Kispest Legende József Bozsik, mit 101 Spielen Rekordnationalspieler ist und seine ganze Karriere über nur für Kispest/Honvéd aktiv war. Es gab damals eine große Einweihungsfeier mit Feuerwerk und allem drum und dran, lediglich das nachfolgende Spiel war weniger schön, da ein 2:2 gegen Bröndby das Aus im Europapokal für Honvéd bedeudete.




Nach einigen Neuerungen 1990, vor allem Umkleideräume und Sanitäranlagen sowie VIP-Club betreffend, wurde aber lange nichts gemacht. Erst unter dem neuen Präsidenten wurde das Stadion in den letzten Jahren komplett renoviert und ist vom Standard her eins der Besten in der Soproni Liga. Aber darüber werde ich gleich noch sprechen, denn im Stadionrestaurant traf ich George F. Hemingway persönlich...
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ZebraFCBbla

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Re: Kispest - Der alte Glanz der Aranycsapat
« Antwort #3 am: 31.Dezember 2009, 11:12:37 »

Sehr schön, sehr schön. Einfallsreich und gut. Gefällt mir!
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SVAustria33

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Re: Kispest - Der alte Glanz der Aranycsapat
« Antwort #4 am: 31.Dezember 2009, 16:44:32 »

Sok boldogságot és sikeret Magyarorzságon!
Wenn mich mein Schulungarisch nicht täuscht (ist schließlich schon 1 1/2 Jahre her) sollte das viel Glück und Erfolg heißen!  ;)
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