Man möge mir den Doppelpost verzeihen, aber heute war einmal mehr Stadiontourismus angesagt!
Diesmal ging es in die zweite Liga zu Estrela Amadora gegen CD Nacional aus Madeira. Die Heimmannschaft lag vor dem Spiel auf dem Relegationsplatz zum Aufstieg, die Gäste auf ebenjenem gegen den Abstieg. Estrela 6 Punkte hinter dem direkten Aufstiegsplatz zwei, aber mit einem nur um zwei Tore schlechteren Torverhältnis als der SC Farense vor ihnen, mit einem Sieg könnte man für den letzten Spieltag also noch hoffen. Nacional wiederum war lediglich einen Punkt von Belenenses S.A.D. und damit dem rettenden Ufer entfernt, nach unten zum direkten Abstiegsplatz war es ebenfalls nur ein Punkt Vorsprung. Insbesondere für die Gäste ging es also um einiges, Estrela hat zumindest den dritten Rang bereits sicher.
Statt mir aber 90 Minuten spannenden Fußball anzuschauen, waren es eher gute 70, denn ich bin zwar zugegebenermaßen relativ spät aufgebrochen, aber eigentlich sind es zum Stadion von mir nur 4 Stationen mit der U-Bahn, das hätte knapp gereicht. Vor Ort wollte ich mir dann ein Ticket holen, das konnte ich jedoch nicht per Karte bezahlen, also habe ich dem Verkäufer gesagt, dass ich nur schnell um die Ecke beim Geldautomaten bin, der war maximal fünf Gehminuten entfernt, eher drei. Er meinte, das sei in Ordnung. Zusätzlich habe ich mich auch noch wirklich beeilt, weil es durch die Verzögerung mit dem Anpfiff schon knapp zu werden drohte und zudem vor den Eingängen riesige Warteschlangen standen. Ich komme also zurück zum Ticketshop und plötzlich ist die Tür zu und ich komme nicht rein. Von innen ging sie jedoch auf, als jemand anderes rauskam, also dachte ich, das wäre nur ein kurzer Schockmoment gewesen und alles liefe nach kleiner Verzögerung weiter wie gehabt. Drinnen ist dann aber von dem Verkäufer, mit dem ich gesprochen habe, keine Spur zu sehen, stattdessen steht da eine Frau, die mir erzählt, dass sie gerade das letzte Ticket verkauft haben und ich wenn dann zum anderen Schalter um die Ecke gehen sollte. Passenderweise befindet sich dieser höchstens 20-30 Meter vom Geldautomaten entfernt. Na zum Glück habe ich mich die Strecke gerade zweimal entlang gehetzt.
Am anderen Schalter klappte es aber problemlos mit dem Ticket, also auf in die für den Zeitpunkt erschreckend lange Warteschlange. Da habe ich mich dann ganz nett mit zwei Niederländern unterhalten, also hatte das Ganze auch sein Gutes, aber bis wir ins Stadion kamen (wir mussten sogar nochmal die Warteschlange wechseln, weil wohl das Reißverschlussverfahren nicht so richtig funktioniert hat) waren bereits fast 20 Minuten gespielt.
Aber was soll's, laut Anzeigetafel hatte ich nichts verpasst und das restliche Spiel entschädigte dann vollumfänglich für das anfängliche Chaos. Auch wenn sich das gerade faktenbasiert etwas angepisst liest, war ich die meiste Zeit tiefenentspannt, dass ich an einem Sonntag zu solch unchristlicher Stunde (11 Uhr Westeuropäische Zeit) zu einem Fußballspiel gegangen bin, war an sich schon ein Erfolg.
Das Spiel selbst ist schnell erzählt, denn Estrela zeigte deutlich auf, wer von beiden die stärkere Mannschaft war. Jedoch galt dies nur bis zum gegnerischen Sechzehner. Ich werde den Bericht hier knapper halten, als die bisherigen, weil ich die schiere Masse an Szenen gar nicht alle aufzählen kann, in denen sich Estrela gefällig nach vorne kombinierte und den Angriff mit einem Schuss beendete, der überall hin ging, nur nicht in Richtung Tor. Es würde mich nichtmal überraschen, wenn der Torhüter der Heimmannschaft am Ende mehr Bälle gehalten hat, obwohl Nacional viel seltener vor seinen Kasten kam. Am Ende von Halbzeit eins hatten die Gäste jedenfalls die klareren Möglichkeiten war mein Eindruck. Zu Beginn der zweiten Hälfte gestaltete Nacional das Spiel etwas ausgeglichener, doch Estrela holte sich die Oberhand schnell zurück und während es im ersten Durchgang ab und an Entlastungsangriffe gegen die Dominanz der Hausherren gab, blieben die im zweiten Durchgang sehr, sehr lange aus. Ein Tor gelang dabei jedoch nach wie vor nicht. Ich mag mich irren, aber in meiner Erinnerung ging wirklich jeder Schuss knapp am Tor vorbei oder wurde geblockt. Mit dem bis hierhin aufgebauten Spannungsbogen hole ich wahrscheinlich keinen langjährigen Fußballfan hinter dem Ofen vor, aber selbstverständlich hat Nacional dann irgendwann kurz nach der 80. Minute einen Konter zum 0:1 versenkt. Wieso auch nicht? Wäre ja komisch, wenn das immer nur den Bayern passiert.
Danach hätte Estrela den Gästen sogar fast noch das 0:2 nach Ballverlust im Spielaufbau dazu geschenkt, aber der so in Ballbesitz geratene Stürmer war das Spielgerät eben so schnell wieder los, wie er es bekommen hatte. Die Szene hatte für meinen Geschmack fast schon etwas zu viel Slapstick. Danach konnte Estrela sich jedoch fangen und machte weiterhin richtig Dampf nach vorne und in der Nachspielzeit senkte sich ein Kopfball nach einem Freistoß... Ja, wohin eigentlich? Das konnte ich von meinem Platz nicht sehen. Alles war aufgesprungen und man hörte verhaltenen Jubel, allerdings nur auf unserer Seite der Tribüne, welche vom Geschehen vor dem Gästetor am weitesten entfernt war. Da die Ultras nicht in Jubel ausbrachen, gehe ich davon aus, dass der Ball nicht im Tor war. Es ging danach mit Abstoß oder Freistoß weiter, jedenfalls führte der Torhüter einen langen Abschlag aus. Also war entweder ein Tor abgepfiffen worden oder der Ball wie schon einige Male, doch am Tor vorbeigegangen. Doch danach war immer noch nicht Schluss, Estrela bekam nochmal einen Freistoß, diesmal aus halblinker Position und durchaus prädestiniert für eine direkte Ausführung. Die kam dann auch und der Ball flog hoch über die Mauer, senkte sich im richtigen Moment und... traf die Latte! Nein, es sollte nicht sein für Estrela, die damit in die Relegation müssen, während Nacional die Abstiegszone verlässt.
Wie die das gemacht haben, werden sie sich wahrscheinlich selbst nach dem Spiel fragen, aber den vielleicht 50-60 mitgereisten Fans wird es egal sein, die haben sich im zweiten Durchgang schon vor dem Spiel hier und da mal eingeschaltet, aber erst nach dem 0:1 waren sie regelmäßig zu vernehmen. Die Heimfans hingegen haben 90 Minuten durchgesungen, waren zahlreicher vorhanden als z. B. bei Estoril und die Melodie der Gesänge gefiel mir auch besser. Generell wirkte das kleine, sehr charmante Estádio José Gomes gut gefüllt und der Wechselgesang zwischen Gegengerade (wo die Ultras standen) und Haupttribüne war laut und schallte mindestens zweimal durch das Rund (den Begriff benutze ich hier nur seiner Gängikeit wegen, rund ist an dem Bau wirklich gar nichts
).
Alles in allem bin ich sehr froh, das noch mitgenommen zu haben, schönes Stadion, wunderbare Heimtrikots, gute Stimmung und ein ziemlich absurdes Fußballspiel. Was will man mehr? Anschließend ging es für mich selbst zum Kicken, wo ich mir dann direkt eine Verletzung zugezogen habe und gleich geht es weiter in eine Kneipe zum Derby Sporting - Benfica. Bei so viel anderweitigem fußballerischem Input kann man die Ereignisse aus Augsburg fast vergessen.