Ja moin, ich habe eine Weile überlegt, ob das besser in den Groundhopping-Channel passt oder hier her, aber da es hier auf jeden Fall ein paar Leute gibt, die den portugiesischen Fußball verfolgen, habe ich mich für diesen Channel entschieden.
Heute fand das Topspiel zwischen Sporting Lissabon und dem FC Porto statt. Grün gegen blau, Vierter gegen Zweiter, 19 gegen 30 nationale Meisterschaften. Vor der Partie trennten beide Teams 7 Punkte, mit einem Sieg hätte Sporting also nochmal an Porto (und Braga, 46 Pkt.) heranrücken können. Bei einer Niederlage würde man sich hingegen wohl endgültig von den Champions League Plätzen verabschieden müssen. Und weil ich gerade in Lissabon weile, habe ich die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und mir direkt ein Ticket für die mitnichten ausverkaufte Begegnung geholt. Hier nun also mein Erfahrungsbericht:
Zunächst ein paar Worte zur Situation in und um das Stadion. Ich wohne in Benfica, habe nur ein paar Gehminuten zum Estádio da Luz, aber auch das Estádio José Alvalade ist nicht all zu weit weg, also habe ich mich entschieden, die Gelegenheit für einen sonntäglichen Spaziergang zu nutzen. Nach einer Dreiviertelstunde und etwa eine Stunde vor dem Anpfiff erreichte ich das Stadion, um das herum sich bereits allerhand Sporting-Fans tummelten. Beim Einlass selbst war davon allerdings nichts zu spüren, ich war wirklich in Windeseile drin und nach mehreren aufeinanderfolgenden Treppenaufstiegen schnell an meinem Platz. Abgetastet hat mich indes niemand, aber wozu auch, ich hatte ja nichts Verbotenes dabei.

Mein Platz war relativ zentral, etwas links der Mittellinie und im Oberrang, erste Reihe. Als ich dort ankam, war das Stadion vielleicht zu einem Viertel gefüllt, einzig der Gästeblock war bereits vollzählig und die mitgereisten Fans aus Porto machten auch schon ordentlich Stimmung. Von den Heimfans vernahm man relativ wenig, außer gellende Pfiffe, wenn Gästespieler aus dem Tunnel kamen bzw. Jubel bei Spielern der eigenen Mannschaft, man kennt es.
Etwas verwundert war ich beim Blick auf die Kurve, wo die Sporting-Fans eigentlich stehen sollten. Da war gähnende Leere. Zuerst hatte ich erwartet, dass die Ultras vielleicht ähnlich wie in Südamerika mit großem Getöse Block betreten würden und als kurz vor dem Anpfiff auch einige Banner auf den nahezu leeren Plätzen aufgehängt wurden, glaubte ich mich schon bestätigt. Doch der erhoffte Knall blieb aus. Alternativ dachte ich mir, dass die Ultras vielleicht ähnlich einiger Protestaktionen in Deutschland erst zu einer bestimmten Spielminute in den Block kommen würden, doch auch das blieb aus. Während des Spiels gab es zwar vom anderen Block hinter dem Tor Gesang, rhythmisches Klatschen und sogar eine Mini-Choreographie zur 2. Halbzeit, aber so richtig wollte ich nicht dran glauben, dass das die organisierte Fanszene von Sporting sein soll. Die ist ziemlich sicher zu Hause geblieben. Falls da jemand nähere Informationen hat (vielleicht du, Scp_Floh?) dann bitte immer gerne her damit!
Zum Spiel selbst:
Ich würde sagen, dass spielerisch einige Leckerbissen geboten wurden, das Niveau der Partie war insgesamt recht hoch, allerdings schlichen sich besonders in der ersten Halbzeit bei beiden Teams immer wieder sehr einfache Fehlpässe oder Stockfehler ein. Die Zweikampfintensität war sehr hoch, aber besonders in der ersten Hälfte meistens sehr fair. Häufig beharkten sich zwei oder drei Spieler und das Team, das die Situation am Ende für sich löste, hatte daraus resultierend nicht selten enorme Raumgewinne. So waren auch Aktionen an der Mittellinie immer wieder fesselnd. Das Chancenverhältnis würde ich als ausgeglichen bezeichnen, eventuell quantitativ mit einem leichten Vorteil für Sporting, Porto traf andererseits die Latte und setzte den anschließenden Kopfball über das fast leere Tor. Aber der sah von meinem Platz auch schwierig zu nehmen aus. Sporting wiederum hatte kurz vor der Halbzeit einen richtig feinen Freistoß, den der Diogo Costa allerdings meisterhaft über den Querbalken lenkte. Ansonsten hatte man auch noch zwei sehr gute Möglichkeiten im Strafraum, wo bei beiden die letzte Präzision fehlte. Generell hätte Sporting wohl noch ein paar Chancen mehr kreieren können, aber ein paar Mal misslang der letzte Pass. Insgesamt ging es für mich mit einem Gefühl in die Pause, als sei Sporting näher dran am Führungstor.
In Halbzeit zwei wirkte es dann kurz, als sei Porto besser aus der Kabine gekommen, doch Sporting holte sich die Spielkontrolle nach einigen Minuten zurück, ohne jedoch wirklich zwingend zu werden. Halbwegs Gefahr strahlte man nur über Standards aus. In der 60. Minute passierte Sporting dann leider ein Fehler kurz nach Ballgewinn am eigenen Strafraum. Vom eigenen Mann prallte der Ball genau in den Lauf von Mateus Uribe, der im Eins gegen Eins mit dem Torhüter das Spielgerät eiskalt in die lange Ecke schlenzte. Dann schien das Momentum ein wenig zu kippen, Porto war nun drauf und dran, mit Kontern den Sack zu zu machen. Aber Sporting überstand die Phase und eroberte sich das Plus bei den Spielanteilen zurück, jedoch ohne zunächst ernsthafte Torgefahr auszustrahlen. Portos Defensive stand bombenfest. In den Schlussminuten gelang dann tatsächlich der vielumjubelte Ausgleich per Abstauber, dachten alle, bis der Linienrichter die Fahne hob und das Tor anschließend per VAR lange überprüft wurde. In diese Überprüfung hinein, die ergab, dass der Treffer nicht zählt, wurde dann die Nachspielzeit von 7 Minuten bekannt gegeben. Das könnte vielleicht noch für den Ausgleich reichen, wenn man sich von dem nicht gegebenen Tor nicht entmutigen lässt, sondern daraus Kraft zieht, dachte ich. Leider kam es genau andersherum, Porto konnte nochmal einen Konter fahren und durch Pepê, der den Torhüter diesmal im Eins gegen Eins per Chipball überwand, den Deckel drauf machen. In diesem Moment begannen die Zuschauer wirklich in Massen, das Stadion zu verlassen. Ich kann mir nicht helfen, aber selbst wenn es 0:5 stünde, in meinen Augen ist das eine absolute Unart, man hat einfach bis zum bitteren Ende zu bleiben, basta.
Und um ein Haar hätten sich die flüchtenden Massen wirklich noch in den Hintern gebissen. Denn Sporting kam per Kopfball durch Chermiti nochmal auf 1:2 heran und bekam dann noch eine letzte Chance per Ecke. Selbst Torhüter Adán war mit aufgerückt und kam tatsächlich zum Kopfball und... die Pille rutschte ihm über den Scheitel, weil er und ein Mitspieler sich gegenseitig behinderten. Mann, Mann, Mann, das wäre was gewesen! Stattdessen trudelte der Ball ins Toraus und danach war Schluss.
Alles in allem wirklich, wirklich schade, weil zumindest mein Gefühl die ganze Zeit über war, dass Sporting das Ding gewinnen kann. Nach dem 0:1 war man zwar kurz bedient und das war auch zu spüren, aber man kämpfte sich zurück. Porto war an diesem Tag wohl einfach die cleverere Mannschaft, aber gemäß dem Spielverlauf wäre ein Unentschieden wohl eher gerecht gewesen.
Mein erstes Spiel, das ich in Portugal Live im Stadion verfolgt habe und auf jeden Fall ein Erlebnis. Obwohl meine Sympathien ganz klar der Heimmannschaft galten, war es schwer, die 90 Minuten Dauerparty der Portofans nicht beeindruckend zu finden. Die haben die Hütte wirklich gut abgerissen. Andererseits war ich von den Heimfans enttäuscht. Nochmals der Aufruf an diejenigen, die wissen was da los war, sich gerne zu Wort zu melden. Aber ich hätte gerade bei einem Derby und Topspiel mehr Stimmung erwartet.
Die offizielle Zuschauerzahl betrug 39.528 bei einer Kapazität von 52.000 Plätzen, es wäre also ein leichtes gewesen, selbst an der Stadionkasse noch Karten zu ergattern. Unter diesen Bedingungen werde ich vielleicht an Spieltagen öfter mal spontan vorbeischauen und sehen, was sich machen lässt. Diese hässlichen Print@Home Tickets taugen jedenfalls nicht als Erinnerungsstück/Deko-Element.
Das wäre es dann erstmal von mir, ich hoffe der Bericht hat ein paar von euch unterhalten. Falls jemand noch etwas genauer wissen möchte, immer raus damit.
